Die Polizei in Las Vegas stuft den Angriff mit mehr als 50 Toten bislang nicht als Terrorakt ein. Der “Islamische Staat” reklamiert die Tat für sich. Doch an dem Bekenntnis ist einiges merkwürdig.
Während eines Country-Konzerts in Las Vegas sind Schüsse gefallen.Bei dem Angriff wurden laut Polizeimindestens 58 Menschen getötet und mehr als 500 verletzt.Der Täter schoss offenbar von einer oberen Etage eines Hotels auf die Konzertbesucher.Die Ermittler identifizierten den Täter alsStephen Paddock, 64 Jahre alt, aus Mesquite im US-Bundesstaat Nevada. Die Stadt liegt etwa 130 Kilometer von Las Vegas entfernt. Der Angreifer ist tot.Die Polizei geht davon aus, dass Paddockallein handelte.Den ersten Ermittlungen zufolge hatte der Täter keinen extremistischen Hintergrund.
Die Terrororganisation “Islamischer Staat” (IS)hat den Massenmord an mehr als 50 Konzertbesuchern in Las Vegas für sich reklamiert. Ein “Soldat des Islamischen Staats” habe den Angriff verübt, teilte die Miliz über ihre sogenannte Nachrichtenagentur Amaq mit. Der Attentäter sei vor mehreren Monaten zum Islam übergetreten, heißt es weiter.
Die Mitteilung ist sehr knapp gehalten und enthält keinerlei Täterwissen – so weit, so normal für Terrorbekenntnisse des IS. Gleichwohl sind mehrere Aspekte an dem Bekenntnis äußerst merkwürdig.
Zum einen gibt es laut US-Ermittlern bis jetzt keinen Hinweis darauf, dass der mutmaßliche Täter Stephen Paddock Kontakte zu islamistischen Terroristen hatte. In den meisten anderen Fällen, etwa bei den Anschlägen in Nizza, Orlando oder Berlin, äußerten sich Amaq oder der IS erst, nachdem die Identität des Attentäters klar und durch Medienberichte deutlich war, dass die Täter islamistisch motiviert waren.
Suizid ist in der IS-Ideologie verboten
Auch das Vorgehen des Attentäters passt nicht zum Muster von Dschihadisten. Laut Polizei in Las Vegas soll sich Paddock in seinem Hotelzimmer selbst erschossen haben, bevor sein Zimmer gestürmt wurde. IS-Terroristen fallen eigentlich dadurch auf, dass sie bis zuletzt Gegenwehr leisten und sich schließlich von Polizisten erschießen lassen. Ein Suizid, wie ihn Paddock nach seiner Bluttat verübte, ist in der IS-Ideologie verboten.
Zudem meldete die Polizei, sie habe in der Wohnung von Paddock zunächst nichts Verdächtiges gefunden. Eine Razzia in dem 15 000-Einwohner-Städtchen Mesquite, rund 130 Kilometer nordöstlich von Las Vegas an der Grenze zu Arizona gelegen, habe keine Auffälligkeiten ergeben, so ein Sprecher der örtlichen Polizei. In der Wohnung, in der der 64-jährige Paddock gewohnt habe, seien mehrere Waffen gefunden worden, sonst aber keine Hinweise auf die Vorbereitung einer Straftat.
Der IS ist in seinem Kerngebiet in Syrien und im Irak erheblich in die Defensive geraten. Das könnte die Dschihadisten dazu verleiten, inzwischen nahezu jede Bluttat im Westen für sich zu reklamieren, um Aufmerksamkeit zu generieren und Schrecken zu verbreiten. Tatsächlich wäre es nicht der erste Fall eines falschen Bekenntnisses durch den IS. Anfang Juni tötete ein Mann in einem Hotelkomplex in Manila Dutzende Menschen. Der IS reklamierte die Tat für sich – die philippinischen Behörden konnten kein islamistisches Motiv ausmachen. Der Täter sei ein überschuldeter Casinospieler gewesen.
Ähnlich mysteriös ist das Bekenntnis des IS zum Mord an einem Jugendlichen im Oktober 2016 in Hamburg. Die Terrormiliz reklamierte die Tat an der Alster via Amaq für sich. Bislang gibt es keinen Beleg dafür, der Angreifer ist noch immer nicht gefasst.