Abfuhr für Bundeskanzlerin Merkel beim G7: Die USA, Japan und Kanada haben die weitere Aufnahme von Flüchtlingen abgelehnt. Finanzhilfen wurden ebenfalls ausgeschlossen. Über den Krieg als wichtigste Fluchtursache wurde erst gar nicht gesprochen.
Die USA, Kanada und Japan haben die Idee der EU und Angela Merkels verworfen, sich stärker in der Flüchtlingskrise zu engagieren. Bundeskanzlerin Angela Merkel musste zur Kenntnis nehmen, dass auf dem G7-Gipfel in Japan konkrete Zusagen für mehr Gelder für die Flüchtlingskrise und die Aufnahme von zusätzlichen Migranten gemacht werden.
„Ich erwarte nicht ganz konkrete Zahlen“, sagte Merkel am Donnerstag im japanischen Ise-Shima. Es sei international aber etwas in Gang gekommen, fügte sie unter Verweis auf den UN-Nothilfegipfel Anfang der Woche in Istanbul hinzu. Dieser hatte allerdings außer schönen Worten keinerlei konkrete Ergebnisse hervorgebracht.
Die G7-Staaten seien sich einig, „dass wir alles tun müssen, um Fluchtursachen zu bekämpfen“, sagte Merkel. Die Flüchtlingskrise ist eins der Themen, die auf dem bis Freitag andauernden Gipfel der sieben großen Industriestaaten auf der Tagesordnung stehen.
EU-Ratspräsident Donald Tusk hatte zu Gipfelbeginn an die G7 die Forderung gerichtet, „dass die internationale Gemeinschaft sich solidarisch zeigt und anerkennt, dass es sich um eine weltweite Krise handelt“. Der als EU-Vertreter an dem Gipfel teilnehmende Tusk sagte, die G7 müssten die Hilfe für Flüchtlinge und für die Aufnahmeländer wie der Türkei, dem Libanon und Jordanien erhöhen (Erdogan droht: Wenn EU-Deal scheitert, schicken wir die Flüchtlinge los – Terroristen nach Deutschland eingeschleust).
Auch internationale Finanzinstitutionen sollen ihre Gelder aufstocken. Doch keiner der zu Hilfe Gerufenen zeigte sich zu konkreten Zusagen bereit, wie Merkel am Freitag einräumen musste.
Die wichtigste Fluchtursachen – nämlich der Syrien-Konflikt (Robert Kennedy: Harte Abrechnung mit unmoralischer US-Politik in Syrien) und die Kriege im Irak, Afghanistan (Wie die CIA Afghanistan opiumsüchtig machte – Anbau seit Nato-Einsatz explodiert (Video)) und Libyen (Libyen: NATO ermordete Gaddafi wegen seines Goldes) – wurden offenbar nicht im zwingend notwendigen Kontext mit der Flüchtlingsbewegung gesehen.
Die Tatsache, dass die 7 angeblich mächtigsten Staaten der Welt nicht in der Lage sein sollen, dem Treiben des IS und der anderen Söldner-Milizen im Nahen Osten ein Ende zu bereiten, kann eigentlich nur mit dem mangelnden Willen der Staaten erklärt werden. Tatsächlich sind die Russen aktuell die einzigen, die Syrien im Kampf gegen die internationalen Söldner und die islamischen Milizen unterstützen.
Umso befremdlicher ist der Umstand, dass die G7 Russland weiter aus ihrem Kreis ausgeschlossen sehen wollen. Die Amerikaner haben die EU in diesem Zusammenhang offenbar auf Linie gebracht: Merkel kündigte an, dass die Sanktionen gegen Russland aufrecht bleiben sollen („Deutschland soll untergehen“: Merkel und die offenen Grenzen – westliche Sanktionen sind Fluchtursache).
Doch die G7 laufen Gefahr, selbst in die Isolation geschickt zu werden, in der sie eigentlich die Russen gerne sehen würden. Die Russen haben den Gipfel nicht einmal zur Kenntnis genommen.
Statt angesichts der internationalen Spannungen eine Rolle als Brückenbauer zu spielen, sehen sich die G7 bemüßigt, nun auch China gegen sich aufzubringen: Ungeachtet der Proteste aus Peking an die G7, sich aus den Territorialstreitigkeiten im Ost- und Südchinesischen Meer herauszuhalten, mischt sich die Gruppe in den Streit ein.
„Wir haben eine gemeinsame Haltung, dass wir den Konflikt friedlich lösen wollen“, sagte Merkel. Auch sei man sich einig, dass internationale Institutionen „hier auch legitimiert sind“, sagte Merkel über das Schiedsgericht in Den Haag, das voraussichtlich im Juni über Chinas Ansprüche entscheiden wird. Peking will das Urteil nicht akzeptieren.
„Die G7 sollte sich mit seinen eigenen Problemen beschäftigen, anstatt sich in die Angelegenheiten anderer Länder einzumischen“, sagte die Sprecherin des Außenministeriums in Peking.
Allerdings führt auch das zu Problemen, weil der G7 kleine europäische Staaten nicht wirklich vertritt. Diese sind aber in der Flüchtlingskrise anderer Meinung als Bundeskanzlerin Merkel. Daher dürfte die Abschlusserklärung bei den Osteuropäern ebenso als Einmischung in die inneren Angelegenheiten betrachtet werden: Die G7 „ermutigen die vorübergehende Aufnahme von Flüchtlingen und die Einrichtung von Umsiedlungsplänen, um die Länder zu entlasten, die bisher die größte Zahl an Flüchtlingen aufgenommen haben“, heißt es in dieser am Freitag verabschiedeten Erklärung.
Diese zielt auch auf die europainterne Kritik an Umsiedlungsabkommen (Vereinte Nationen fordern Bevölkerungsaustausch von Deutschland) wie dem der EU mit der Türkei oder den innereuropäischen Verteilsystemen für Flüchtlinge. In beiden Fällen agiert Merkel ohne Zustimmung der betroffenen Staaten. Doch offenbar sah sich der Gipfel bemüßigt, dafür zu sorgen, dass Merkel am Ende nicht gänzlich mit leeren Händen dasteht
„Im Kampf gegen Armut erbärmlich versagt“
Deutschland hatte bereits im Februar angekündigt, dem Irak einen Kredit von 500 Millionen Euro zu gewähren (Fluchtursachen bekämpfen – der entlarvende Satz deutscher Politiker (Videos)). Die Staats- und Regierungschefs der G7 einigten sich am Freitag darauf, dem vom Zerfall bedrohten Irak mit einer Finanzspritze von 3,2 Milliarden Euro beim Wiederaufbau zu helfen (Dokument: der Bush-Blair-„Blut Deal“ gegen den Irak – Täuschung der Öffentlichkeit).
In der Abschlusserklärung wird die Flüchtlingskrise als „globale Herausforderung, die eine globale Antwort erfordert“, anerkannt. Weitere Zugeständnisse der internationalen Partner in der Sache gab es aber nicht.
Entwicklungsorganisationen übten denn auch scharfe Kritik an den G7. So habe der Gipfel in Ise-Shima trotz vollmundiger Bekundungen keine konkreten Finanzhilfen zur Bewältigung von Hunger und Armut, die zu den wichtigsten Fluchtursachen weltweit gehören, gebracht.
Der Kommunikationschef der Organisation One für Nordamerika, Ian Koski, warf den großen Industrienationen gar vor, „erbärmlich versagt“ zu haben.