Aachen. Viele Medizinstudenten wollen einen Teil ihrer vorgeschriebenen medizinischen Praktika im Ausland absolvieren und bei der Arbeit die Welt kennenlernen. Doch wie kommt man an eine Auslandsfamulatur? Und wann macht das überhaupt Sinn?
Bücher wälzen, Fachbegriffe lernen, Diagnosen stellen: Derzeit paukt Medizinstudentin Linda Grothuesmann vor allem Theorie. Die 25-Jährige studiert an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen. Immer im Hinterkopf hat sie dabei die Erfahrungen, die sie während ihrer einmonatigen Famulatur im Libanon sammelte. “Man lernt andere Krankheitsbilder und ein anderes Gesundheitssystem kennen. Außerdem war es für mich eine tolle Gelegenheit, das Land zu entdecken”, erinnert sich die angehende Medizinerin.
Vermutlich 30 Prozent der Medizinstudenten absolvieren einen Teil ihrer Famulatur im Ausland, schätzt Birgit Heller, die an der Berliner Charité Studenten zu Auslandsaufenthalten berät. Konkrete Zahlen fehlen. Mehrere Famulaturen muss ein Medizinstudent zwischen der ersten und zweiten ärztlichen Prüfung absolvieren. “Zwei davon kann man problemlos im Ausland machen”, sagt Heller. Einzige Voraussetzung: Das Krankenhaus, in dem die Famulatur abgelegt wird, muss über eine stationäre und ambulante Krankenversorgung verfügen. “Man sollte schon ein bisschen Erfahrung haben, manchmal trauen sich die jungen Leute auch zu viel zu”, sagt Heller. Sie empfiehlt deshalb: “Die erste Famulatur sollte man in Deutschland machen und eine zweite im Ausland.”
Bei der Suche nach einem geeigneten Famulaturplatz können Studenten die Hilfe von Organisationen wie der Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland (Bvmd) in Anspruch nehmen. Sie vermittelt in Deutschland immatrikulierte Medizinstudenten in 98 Länder weltweit, kümmert sich um Ansprechpartner vor Ort, eine Unterkunft und ein Reiseprogramm.
Für Alicia Fengler von der Bvmd liegen die Vorteile der Auslandsfamulatur auf der Hand: “Wir leben in einer globalisierten Welt und versuchen, Patienten mit verschiedenen kulturellen und religiösen Hintergründen bestmöglich zu behandeln. Das funktioniert nur, wenn man die Patienten und ihre Kultur möglichst gut versteht.”
Bewerben können sich Studenten über das Onlineportal der Bvmd; sie müssen dabei ihre Immatrikulationsbescheinigung, einen Sprachnachweis der englischen und, falls vorhanden, jeweiligen Landessprache des Zielortes sowie ein Motivationsschreiben einreichen. “Wir wollen keine Eliteförderung machen, das ausschlaggebende Kriterium, um einen Famulaturplatz zu bekommen, ist das Hochschulsemester”, erklärt Fengler. Bewerber eines höheren Semesters werden bevorzugt vermittelt, weil ihnen weniger Restzeit bleibt, um die Auslandsfamulatur abzulegen. Außerdem ist entscheidend, wie gut sich der Student auf die Besonderheiten des Landes und der Leute vorbereitet hat, ob er die Landessprache spricht, an einem Vorab-Seminar teilgenommen hat oder sich in besonderem Maße ehrenamtlich engagiert.
Auch Grothuesmann hat auf diesem Weg ihren Famulaturplatz im Libanon bekommen. Lediglich einen Teil der Flugkosten und vereinzelte Ausgaben für Snacks oder Eintritte zu Sehenswürdigkeiten musste sie dabei selbst bezahlen. Die Kosten für die Unterkunft, warme Mahlzeiten und das Reiseprogramm übernahm die Bvmd. Tagsüber arbeitete sie im Krankenhaus der American University of Beirut, abends und am Wochenende blieb Zeit, etwas mit den anderen 13 Famulanten zu unternehmen und das Land besser kennenzulernen. “Die schönste Erfahrung war der Zusammenhalt, den ich dort erlebt habe”, erinnert sie sich.
Ein anderes Krankensystem, eine fremde Sprache, eine neue Kultur: Grothuesmann hat viel Neues während ihrer Auslandsfamulatur kennengelernt. Trotzdem sei eine solche Reise nicht für jeden geeignet, findet die 25-Jährige: “Wenn man sehr viel selber machen will und sich vor allem fachlich weiterbilden möchte, würde ich empfehlen, in Deutschland zu bleiben. Ich hatte den Eindruck, dass man ausländische Studenten nicht so viel machen lässt, weil die Ärzte nicht wissen, auf welchem Wissensstand die Famulanten sind.”
Das Abenteuer Auslandsfamulatur kann jeder Medizinstudent antreten, auch auf eigene Verantwortung. Birgit Heller empfiehlt in diesem Fall, schon der Bewerbung im jeweiligen Krankenhaus ein englischsprachiges Empfehlungsschreiben der eigenen Uni beizulegen, das als ausführliche Immatrikulationsbescheinigung und Erläuterung einer Famulatur im Allgemeinen dient. Außerdem wichtig: “Wenn man in ein Land geht, in dem es keine lateinischen Buchstaben gibt, sollte man darauf achten, dass man einen Stempel bekommt, der auch interpretierbar ist”, erklärt die Beraterin.