Portrait

Mit großer Freude nahm die US-Schauspielerin Regina King vergangenes Jahr den Emmy für ihre Rolle in der ABC-Produktion „American Crime” entgegen. Mit ebenso großer Freude verfolgte der junge libanesische Modedesigner Krikor Jabotian die Preisverleihung. Schließlich trug King eines seiner Kleider. Die elegante weiße Robe, über und über mit Perlen geschmückt, am Rücken tief ausgeschnitten und mit tulpenförmigem knöchellangem Rock, war Jabotians erste Couture-Kreation für den roten Teppich in Hollywood und rückte ihn unvermittelt ins Rampenlicht.

Wie viele heute etablierte libanesische Designer – etwa Elie Saab, Georges Hobeika oder Zuhair Murad – scheint Jabotian das Gespür für  aufwändige Stickerein in die Wiege gelegt. In seinen exquisiten Haute-Couture-Kollektionen spielen kunstvolle Stickereien eine zentrale Rolle – ganz besonders Muster, in denen auch Pailletten, Halbedelsteine und Kristalle verarbeitet werden.   

Jabotian studierte an der École Supérieure des Arts et techniques de la Mode (ESMOD) in Beirut und arbeitete anschließend sieben Monate im Atelier von Elie Saab, wo er nach eigenen Angaben seine Liebe für aufwändigen Verzierungen entdeckte. „Ich fand Stickereien früher sehr kitschig, sogar protzig, und konnte damit wenig anfangen. Doch dann entdeckte ich die Stickereien in Saabs Atelier. Sie waren so gut gemacht und geschmackvoll, dass ich ihren Wert als Schmuckelement zu schätzen lernte.“

Die Wertschätzung dieser althergebrachten Kunst hat Jabotian nach seinem eigenen Stil weiterentwickelt und vertieft. „Ich versuche, in meinen Arbeiten der Stickerei einen frischen Wind zu geben. Manche Techniken sind schwieriger als andere; manche sind kommerzieller und weniger zeitaufwändig, andere sind kompliziert. Ich ziehe es vor, nicht den leichtesten Weg zu wählen, sondern greife stattdessen gerne auf alte Fertigungsweisen zurück, denen ich einen neuen Dreh gebe. Oft arbeite ich mit der Sarma-Technik, einem alten osmanischen Verfahren, in dem Satinstickerei und Gold sehr wichtig sind.“

Jabotian erzählt nicht viel darüber, warum er bei Elie Saab wieder aufhörte. Er sei halt „jung“ gewesen, sagt er. Das Timing aber passte. Schon vier Monate später nahm in die Starch Foundation gemeinsam mit jungen Designerinnen und Designern wie  Lara Khoury, Missak Haji-Avedikian und Rami Kadi in ihr neues Programm auf. Die von dem Couturier Rabih Kayrouz und der Unternehmerin Tala Hajjar gegründete gemeinnützige Organisation fördert Nachwuchsdesigner. Sie bekommen Mentoren zur Seite gestellt, die ihnen dabei helfen, ihre eigenen Kollektionen zu entwickeln und sich zu vermarkten; außerdem werden ihre Kreationen in der Starch Boutique im Saifi Village in Beirut zum Verkauf angeboten. „Ich denke, ich war zur richtigen Zeit am richtigen Ort. 2008 hatte der Libanon sich gerade von seinem Bürgerkrieg erholt begann wieder zu florieren. Die Stadt zog damals viele Touristen an, die Kleider kaufen wollten“, erzählt er.  

Jabotian erinnert sich noch genau an das erste Teil, das er verkaufte, direkt bei der Eröffnung der Boutique: eine schwarze Smoking-Jacke aus Seide. „Sie kostete so viel wie ein Monatsgehalt bei Elie Saab! Das hat mich wirklich nachdenklich gemacht und mir auch Mut gemacht, mein eigenes Atelier zu eröffnen“, sagt er.

2009, da war er 23, gründete Jabotian seine eigene Brand. Seither hat er die Firma langsam als Familienunternehmen ausgebaut, alle machen mit: von den Eltern bis zu den Geschwistern. „Ich glaube daran, sich mit Menschen zu umgeben, denen man vertraut, um kreativ sein zu können“, erklärt er.

Die Frau, für die Jabotian seine Kleider entwirft, ist „reserviert, sehr klassisch, aber mit dem besonderen Etwas. Sie wird gerne gesehen.“ Typisch für seine Entwürfe sind klare Strukturen, skulpturales Volumen und ein Hauch Verrücktheit. „Ich bin immer für Experimente zu haben, zwinge mich selbst aus der Bequemlichkeit heraus und versuche, nicht zu stagnieren.“

 Jede Kollektion beginnt mit einer „Stimmung“, etwa Spontaneität ist immer dabei. „Ich fange an zu zeichnen; normalerweise habe ich etwas im Kopf, weiß aber nie so genau, wie es aussehen wird. Das ist nie nur meine persönliche, sondern immer eine Teamleistung. Ich muss sehen, wie die Entwicklung von den Schnittmuster-Designern interpretiert wird und dann von den Schneidern. Danach müssen wir schauen, wie das Volumen steht und wie die perfekte Struktur aussehen könnte. Und dann wie das Teil sich bewegt, das ist ebenfalls sehr wichtig. Ich sehe Kleidung nicht als etwas Dekoratives, sondern als etwas, das getragen wird. Manchmal sieht ein Kleid am Bügel wunderbar aus, nicht aber, wenn es getragen wird. Manchmal ist es genau anders herum.“

Hinter seiner ersten Kollektion, sagt Jabotian, stehe er immer noch. „Es gibt vielleicht einige Sachen, die ich bereue, ich bin aber immer sehr selbstkritisch, weil ich finde, dass das für einen Designer gesund ist. Ich versuche, mich möglichst wenig mit anderen zu vergleichen, sondern stattdessen mit dem, der ich vor einem Jahr war und dem, der ich in einem Jahr sein möchte.“