Eine junge Europäerin ist in den Libanon gereist und hat dort einfach angefangen zu helfen.
e 23-jährige Maguelone Girardot aus Calais in Frankreich konnte einfach nicht mehr. Nicht mehr rumsitzen in den Politik-Vorlesungen an ihrer Universität. Nicht, wenn täglich Tausende Menschen aus ihrer Heimat flüchten, im Meer ertrinken, Hunderte Kilometer laufen, um am Ende vor einem abgeriegelten Grenzzaun um Einlass zu betteln – und keinen zu bekommen.
“Es störte mich, dass wir ständig was über Flüchtlinge hören – aber nie von ihnen selbst”, sagt sie. “So bilden sich Klischees und schlimme Vorurteile.”
Seit drei Monaten lebt Maguelone nun im Nordlibanon, etwa 50 Kilometer entfernt von der syrischen Grenze. Begleitet von dem internationalen Hilfsverband “Relief and Reconcilation for Syria” hilft sie den Flüchtlingen hier, den Krieg, den Hass, die Angst zu verarbeiten.
Wir haben Maguelone gebeten, uns Fotos von ihrer Arbeit im Libanon zu schicken. Die Fotostrecke zeigt, wie extrem ihre Eindrücke sein müssen:
Maguelone wohnt in einer kleinen Wohnung, gemeinsam mit anderen Freiwilligen von der Organisation und einigen Geflüchteten. Von hier aus kümmern sich Maguelone und ihre Kollegen um die Menschen, die eintreffen. Es sind mindestens 50 pro Tag, schätzt Maguelone. Die meisten stammen aus Syrien, viele aus der durch Bombenangriffe schwer zerstörten Kleinstadt Kusair.
Weltweit befinden sich 59,5 Millionen Menschen auf der Flucht. Das geht aus dem Weltbevölkerungsbericht der Uno-Organisation Unfpa hervor. Mehr als die Hälfte der Flüchtlinge stammt laut dem Bericht aus Syrien, Afghanistan, dem Sudan und Somalia.
Im Nordlibanon helfen Maguelone und ihre Kollegen den Flüchtlingen, Zelte und Hütten aufzubauen auf Wiesen und am Rande von Wäldern.
Maguelones Job hier – und ihr ganz persönliches Anliegen: mit den Flüchtlingen reden. Vor allem mit den jungen unter ihnen will sie sprechen, mit Menschen in ihrem Alter und unbegleiteten Minderjährigen.
Sie will sie kennenlernen, ihnen Fragen stellen, sich Fragen stellen lassen. “Einfach sprechen”, sagt Maguelone. Nur selten könne jemand Englisch oder Französisch, “fast immer kommunizieren wir mit Händen und Füßen”. Ja, das klappe wirklich.
Aber hilft es auch? Zumindest haben die Flüchtlinge so eine Beschäftigung und sitzen nicht sinnlos herum, sagt die junge Französin.
Sie verabreden sich über Facebook, oder Maguelone geht einfach bei ihnen vorbei. Sie gehe mit ihnen spazieren oder koche mit ihnen.
Die Themen: Wie geht es dir? Was machst du gern in der Freizeit? Was hast du studiert, für was interessierst du dich? Was machst du gern?
Und, auch ein Thema: Wie geht es jetzt weiter? Es geht oft um den Krieg, sagt Maguelone, “ganz viel Krieg”. Die Frustration, die Furcht davor, nicht weiter machen zu können mit dem Lebensplan. “Viele sind so klug. Sie erzählen mir, dass sie in Syrien eigentlich eine Familie gründen wollten.”
“Ich würde so gern weiter studieren, auch das sagen sie mir”, erzählt Maguelone. “Ich würde gern reisen, heiraten, ich will eine Arbeit haben.”
Hier, in den Zelt- und Hüttendörfern haben sie kaum frisches Wasser, keinen Strom und wenig Privatsphäre. Niemand weiß, wie lange er hier noch ausharren muss, es können Wochen sein oder Monate, der Libanon bietet keine Perspektive, außer vielleicht den Plan, sich irgendwann wieder aufzumachen, weiter nach Europa. “Die meisten wollen das”, sagt Maguelone.
Der Fotograf Kevin Mc Elvaney hat Flüchtlinge auf dem Weg nach Europa mit einer Einwegkamera ausgestattet. Das ist dabei herausgekommen:
Während der Ausnahmezustand für Maguelone bald vorüber ist – wenn sie zurück geht nach Frankreich –, fängt er für die meisten gerade erst an. “Viele berichten lange und immer wieder von ihrer wunderschönen Heimat, die sie verloren haben. Sie beschreiben die Eskalationen, wie plötzlich immer mehr Waffen im Umlauf waren, wie Krieg ausbrach.”
Manche seien mit dem Grollen der Bomben im Rücken geflohen. “In Europa denken viele, der Krieg in Syrien sei ein Bürgerkrieg. Nein. Es ist der Krieg eines Präsidenten, der dem Volk den Tod bringt”, sagt Maguelone.
Was die Menschen ihr erzählen, die junge Französin schreibt es auf, manchmal mit den Geflüchteten zusammen. “Mich berührt das alles so sehr.”
Die Protokolle, Texte und Fotos stellen sie ins Internet, auf Blogs oder auf ihre Facebook-Seite “Generation Peace”.
Maguelone sagt, sie wolle mit den Beiträgen aufzeigen, dass die Menschen in Europa eine andere Haltung annehmen müssen. “Flüchtlinge sind keine Opfer, sondern Menschen.” Wir könnten von ihnen lernen, mit ihnen lernen, vor allem aber müssten wir verstehen, dass sie zu uns gehören.