Syrien ist für Iran das Bindeglied zur Hizbullah-Miliz. Der Erhalt der syrisch-libanesisch-iranischen Achse ist für Teherans geopolitischen Machterhalt von zentraler Bedeutung.
Als der Hizbullah-Chef Hassan Nasrallah vergangenen Sommer erklärte, der Weg nach Jerusalem führe über die syrischen Orte Kalamun, Daraa und Hasaka, witzelten Syriens Regimegegner über die verschlungenen Umwege, welche der Hizbullah damit in seinem «Widerstand» gegen Israel gehen müsse – einmal durch ganz Syrien und zurück. Dass der Weg von Beirut nach Jerusalem über die ostsyrische Stadt Hasaka führen soll, mag grotesk klingen. Doch liegt genau hier die ideologische Basis für die iranische Geopolitik begründet, die auf dem Bündnis mit der schiitischen Hizbullah-Miliz in Libanon aufbaut und ein antiamerikanisches, antiimperialistisches Selbstverständnis pflegt.
Bindeglied zum Hizbullah
Der Hizbullah entstand mit iranischer Unterstützung Anfang der 1980er Jahre aus einem Zusammenschluss lokaler schiitischer Milizen, die damit auf die israelische Besatzung in Südlibanon reagiert hatten. Die in Libanon marginalisierten wie unter Israels Invasion leidenden Schiiten waren empfänglich für die Botschaft der Islamischen Revolution in Iran von 1979, und manche ihrer Kleriker unterhielten enge Beziehungen zu Revolutionsführer Khomeiny. Für Iran wurde der Hizbullah zu seinem verlängerten Arm in die Region – die Waffen unter Helfer reisten wiederum über Syrien ein, das Bindeglied.
Was der frühere amerikanische Präsident George W. Bush 2002 als Teil der «Achse des Bösen» brandmarkte, betrachtet sich selbst als «Achse des Widerstandes» gegen Israels und Amerikas Politik in der Region. Als 2012 das syrische Regime zu schwanken begann, waren Teheran und der Hizbullah alarmiert. Eine prowestliche Regierung in Damaskus würde ihre Achse brechen. Die Versorgungswege zwischen Iran und dem Hizbullah waren bereits gefährdet. Die Verbündeten begannen stufenweise mit dem Ausbau ihrer Präsenz in Syrien. Schätzungen gehen heute von rund 10 000 oder mehr schiitischen Kämpfern in Syrien aus – Iraner, Libanesen, Iraker, Afghanen, Pakistaner. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch berichtet, dass Iran Tausende afghanischer Flüchtlinge als Kämpfer für Syrien rekrutiert hat, oft unter Androhung einer Abschiebung.
Die Schiiten, in den meisten Ländern der Region seit Jahrhunderten eine unterdrückte Minderheit, haben sich in zerfallenden Staaten mit iranischer Hilfe als starke Kraft etabliert. Iran hat so seine geostrategische Position auf Kosten der arabischen Sunniten, allen voran der Saudi, verbessert. Die iranische Rhetorik von Widerstand gegen die Unterdrückung klingt in den Ohren der Gegner Asads und ihrer Sympathisanten zunehmend hohl. Als sich im Sommer 2006 Israel und der Hizbullah bekriegten, gingen die Sympathien für die libanesische Miliz in der Region durch konfessionelle und politische Lager hindurch. Nun wurde Iran jedoch zum Komplizen eines Diktators, der einen Aufstand brutal unterdrückte.
Besatzung als Verteidigung
Dass Tausende schiitischer Milizen zum «heiligen Krieg» in ein anderes Land ziehen, ist eine neue Erscheinung. Den syrischen Aufständischen gelten sie als fremde Besatzer, sie selbst sprechen von Verteidigung: Bei der Mobilisierung schiitischer Milizen spielt der Schutz schiitischer Schreine in Syrien eine wichtige Rolle, libanesische Schiiten wollen sich gegen sunnitische Extremisten wehren, ehe sich diese von Syrien aus nach Libanon weiter ausbreiteten. Die syrischen Alawiten sind überdies getrieben von der Furcht vor der Auslöschung, falls Asad gestürzt würde.
Mit seinem Einsatz in Syrien will Teheran seine geopolitische Machtstellung erhalten, denn es hält sie für existenziell und versteht sie als Schutz gegen sunnitische Extremisten. Auch wenn die iranische Intervention risikoreich ist: Im Gegensatz zu Russland, das den syrischen Staat (oder was davon übrig ist) erhalten möchte, könnte Iran, das sich seit Jahrzehnten auf irreguläre Milizen stützt, auch mit einem gescheiterten Staat gut leben.