Kirche als Anlaufstelle in der neuen Heimat

Orthodoxe Christen aus dem Irak feiern Ostern (picture alliance / epa / Srdjan Suki)

Chaldäische Christen leben vor allem im Irak, in Iran, Syrien, Jordanien, Libanon und der Türkei. Oder in Schweden, denn dorthin sind viele ausgewandert. In Södertälje bei Stockholm sind es so viele Chaldäer, dass dort nun eine eigene Kirche für sie gebaut wird.

Menschen drängen sich in die kleine St. Johanneskirche in Södertälje, einer Kleinstadt im Süden von Stockholm. Der Priester und einige Mönche in weißen Gewändern bahnen sich ihren Weg zum Altar. Wer keinen Sitzplatz mehr bekommen hat, bleibt im Vorraum der Kirche stehen; Familien mit Kleinkindern verfolgen den Gottesdienst auf einer Leinwand im Kellerraum.  Der Gottesdienst ist auf arabisch, seine Besucher sind chaldäische Katholiken – überwiegend aus dem Irak.

Martin Elia: “Unsere Kirche eignet sich nur für 125 Personen. Doch inzwischen haben wir 250 oder 300 Besucher. Das ist sehr gefährlich und eigentlich nicht legal, so viele Menschen in diesem Gebäude unterzubringen.” 

Martin Elia ist Architekt und Chaldäer. Er besucht regelmäßig den Gottesdienst. Die Gemeinde bat ihn um Hilfe beim Bau einer neuen, größeren Kirche. Elia erinnert sich an seine eigene Situation, als er vor 15 Jahren nach Schweden kam.

“Als ich hier ankam, habe ich gefragt: Wo ist unsere Kirche? Denn es geht ja nicht nur darum, die Sonntagsmesse zu besuchen. Sondern auch, Leute zu treffen, mit ihnen zu kommunizieren, sich gegenseitig zu helfen. Es ist ganz einfach: In der Kirche treffe ich Menschen, die schon länger hier leben. Der Kontakt bringt mich zum nächsten Schritt, zu einem Job. Und durch diesen Schritt wiederum schaffe ich den Sprung ins schwedische System.”

Seit 25 Jahren in Schweden

Elia arbeitet in einem angesehenen Architektenbüro in Stockholm, aber er wohnt in Södertälje. Rund ein Drittel der Bevölkerung hier stammt aus Syrien und dem Irak. Über 1.000 Familien sind Chaldäer, die in ihren Heimatländern verfolgt werden. Die Flüchtlingswelle von 2015 hat der Gemeinde noch mehr Zulauf gebracht. Wie in Stockholm ist auch in Södertälje Wohnraum Mangelware, erklärt Benedicta Lindberg vom katholischen Bischofsamt in Stockholm. Sie ist Deutsche und wohnt seit 25 Jahren in Schweden.

“Die Leute wohnen zu 15, 20 in 1-2-Zimmer-Wohnungen. Die ziehen zu ihren Verwandten und Freunden. Deshalb ist es unüberschaubar. Keiner hat richtig die Kontrolle, wie viele wirklich in Södertälje gelandet sind.”

Lindberg leitet das Fundraising für die neue chaldäische Kirche. Sie arbeitet eng zusammen mit Martin Elia. Bereits 2011 vollzog der Bischof in einem feierlichen Akt den ersten Spatenstich in einem bewaldeten Gebiet der Kleinstadt. Dabei blieb es allerdings bislang, denn es fehlten die Mittel. Doch wo ein Wille ist, ist auch ein Weg, ist Lindberg überzeugt. Das ursprüngliche Modell wurde verworfen, die Kirche verschlankt und am Material gespart.

Benedicta Lindberg: “Wir haben gerade von den Behörden alle Genemigungen bekommen und rechnen damit, dass wir noch kurz vor dem Sommer anfangen können mit den ersten Grundstücksvorbereitungen. Und dieser ganze Bau wird durch Spenden finanziert.

Im Gottesdienst gehen dem Priester vier Messdiener in weißen Gewändern zur Hand. Goldene Umhänge zieren ihre Schultern. Unter den stehenden Besuchern ist auch der 21-jährige Iraker Delon Yalda. Er und seine Familie fühlten sich im Irak zunehmend bedroht und flüchteten vor fünf Jahren nach Schweden.

“Es fing nach dem Krieg an. Wir wurden verfolgt, und waren ständig in Gefahr, entführt zu werden. Wir sollten zum Islam konvertieren. Das wollten wir nicht und beschlossen, zu gehen, um woanders in Frieden leben zu können. Mein Cousin wurde von Islamisten entführt. Sie forderten Lösegeld und wir haben bezahlt. Umgebracht haben sie ihn trotzdem.”

Die Heimat – ein schwieriges Thema

Den Gottesdienst in Södertälje leitet der irakische Priester Paul Rabban. Wenn er auf sein Heimatland zu sprechen kommt, verfinstert sich sein Gesicht.

“Es wird immer schlimmer, und es gibt überhaupt keine Hoffnung, dass sich die Lage irgendwann bessert. Die Politik zielt darauf ab, den Mittleren Osten vom Christentum zu säubern. Entweder indem man die Christen aus dem Land wirft oder sie tötet. Seit 13 Jahren ist das so, seit der Invasion der Amerikaner.”

Die Katholiken gehören in Schweden mit unter 2 Prozent zu einer Minderheit. Doch die katholische Gemeinde wächst durch die Einwanderung. Die kleine St. Johanneskirche, in der die Chaldäer in Södertälje zur Zeit noch ihre Gottesdienste feiern, ist eine ehemalige protestantische Kirche,  die jetzt dem Bistum Stockholm gehört. In Skandinavien wird die neue Kirche die erste sein, die speziell für Chaldäer gebaut wird. Sie soll aber offen sein für alle Christen und den Namen  “Jungfrau-Maria-Kirche – Chaldäisches Kulturzentrum” tragen. Wichtig sei, so Lindberg, den Chaldäern ein Zeichen zu geben.

“Dass man hier eine neue Heimat aufbauen kann, dass es hier einen Möglichkeit gibt, dass es hier einen Platz gibt, an dem man seine Kinder zu Christen erziehen kann, ohne dass man Angst haben muss, dass man verfolgt wird.”