Für Libanons Müllkrise ist kein Ende in Sicht

 

  • Wegen eines Sturms schwemmt das Mittelmeer mehrere Tonnen Müll an die Küste Beiruts. Libanons Müllkrise nimmt kein Ende und steht sinnbildlich für die politischen Probleme des von Konflikten geprägten Landes.

Der Zouk-Mosbeh-Strand liegt zirka 15 Kilometer nördlich von Beirut. Baden kann man an Stränden in dieser Umgebung schon lange nicht mehr. Zu verschmutzt ist das Wasser durch Müll und Abwasser. Seit am Montag ein Sturm vom Mittelmeer Richtung Beirut zog, ist der Strand zu weiten Teilen auch an Land nicht mehr nutzbar. Hohe Wellen zerstörten den Damm einer Mülldeponie an der Küste vor der libanesischen Hauptstadt; tonnenweise Müll trieb ins Meer und wurde später am Zouk-Mosbeh-Strand wieder angespült. Ministerpräsident Saad Hariri ordnete am Dienstag an, den Müll so schnell wie möglich zu beseitigen.

Wer dies erledigen soll und, vor allem, wohin der Abfall gebracht wird, weiss derzeit niemand. Der Müll liegt derweil bis zu 30 Meter ins Landesinnere verstreut. Die erneute Krise kommt nur wenige Tage nachdem Human Rights Watch eine Kampagne gegen Müllverbrennungsanlagen in Libanon begonnen hat. Die Menschenrechtsorganisation kämpft damit gegen die weitverbreitete Praxis von Firmen, den Müll in Deponien auf offenem Gelände zu verbrennen. 150 solche Deponien gibt es im ganzen Land, neun davon allein in Beirut. Für die Bevölkerung stellen sie ein grosses Gesundheitsrisiko dar.

Im Dezember 2017 veröffentlichte Human Rights Watch einen Bericht mit dem Titel «Als ob man den eigenen Tod einatmen würde». Bewohner berichten darin von Atemproblemen, manche klagen über Husten von Blut. Die Organisation wirft der libanesischen Regierung vor, ihrer Verpflichtung, die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen, nicht nachzukommen. Libanon ist ein Viertel so gross wie die Schweiz und hat über sechs Millionen Bewohner. Die dichte Besiedlung trägt einen Teil dazu bei, dass es für die Firmen schwieriger wird, Mülldeponien ausreichend weit entfernt von Dörfern zu bauen. In einem funktionierenden politischen System wäre diese Aufgabe zu bewältigen. Doch Libanons Politik leidet unter Korruption, einer undurchsichtigen Bürokratie und Machtkämpfen entlang konfessioneller Linien. Eine Kooperation zwischen Gemeinden, Stadtverwaltungen und der Regierung ist oft nicht vorhanden.

Die Episode vom angeschwemmten Abfall ist ein weiteres Kapitel in einer nie endenden Müllkrise, welche die libanesische Politik bewältigen muss. Die Müllentsorgung ist in Libanon privatisiert. Wie auch bei der Strom- und Wasserversorgung führt dies wegen mangelnder staatlicher Regulierung und schlechter Infrastruktur immer wieder zu grossen Problemen, während Politiker als Besitzer dieser Firmen grosse Summen verdienen. Die schwache Kontrolle der Regierung führt dazu, dass das Müllproblem nicht gelöst werden kann und dass zu drastischen, für die Umwelt und Gesundheit desaströsen Massnahmen gegriffen wird.

2015 schloss die grösste Mülldeponie des Landes. Dies führte im Sommer desselben Jahres dazu, dass sich in den Strassen in Beirut riesige Müllhaufen bildeten. Unter dem Slogan «Ihr stinkt!» gingen Tausende auf die Strasse, um gegen die fehlenden Massnahmen der Regierung zu protestieren. Die Krise führte dazu, dass vermehrt Müll an illegalen Orten wie Wäldern und Strassengräben entsorgt wurde. Eine andere Massnahme war, den Müll zu vergraben und damit Land aufzufüllen.

2015 kippten Lastwagen tonnenweise Müll auf die Strassen. (AP Photo / Hassan Ammar)

Als Möglichkeit, viel Geld zu verdienen, sehen die Politiker auch das Landrückforderungs-Projekt. Als nach der letzten grossen Müllkrise 2015 die temporäre Land-Auffüllung als Müllentsorgung zu Protesten zu führen drohte, setzten sie sich für eine neue Möglichkeit ein: mit Abfall entlang der Küstenlinie Land dazuzugewinnen. Müll einer nahe gelegenen Deponie wird dabei als Füllmaterial genutzt. Die Politiker hoffen, das neu gewonnene Küstenland später teuer verkaufen zu können.

Das Projekt sah ursprünglich vor, industrielle Abfälle und Plastic von organischen Abfällen zu trennen, um für die Auffüllung nur Letztgenannte zu verwenden. Wie das amerikanische Mediennetzwerk NPR recherchierte, wurden die Materialien jedoch nie getrennt. Für ein solches Projekt müssten die Verantwortlichen des Projektes zuerst eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchführen. In diesem Fall wurde jedoch der Projektstart von der Regierung gutgeheissen, ohne dass ein solcher Bericht auf dem Tisch gelegen wäre.

Dass das Meer den Müll nun auf die Küste Beiruts zurück spült, bringt ein Problem zum Vorschein, das die Behörden mit solchen Projekten zu verstecken versuchten. Dies wird jedoch immer schwieriger: Zwei grosse Mülldeponien in Beirut drohen 2018 zu überlaufen. Die beiden wurden im März 2016 als temporäre Notlösung gebaut. Wenn die Regierung eine Wiederholung des Debakels von 2015 vermeiden will, müssen Lösungen her. Das Müllproblem könnte ihr im Rahmen der anstehenden Parlamentswahlen im Mai zum Verhängnis werden. Zurzeit sind es hauptsächlich Nichtregierungsorganisationen wie Recycling Lebanon, die versuchen, mit Massnahmen wie der Reinigung von Stränden und dem Aufstellen von Recycling-Deponien etwas gegen das Problem zu unternehmen.