Postengerangel in Beirut

Eigentlich wollte der designierte Premierminister des Libanon, Saad Hariri, sein Kabinett bis zum Unabhängigkeitstag am heutigen Dienstag stehen haben. Doch er braucht nun offenbar doch noch etwas mehr Zeit, wie die arabische TageszeitungAl-Schark Al-Ausat berichtet. Aufgrund des Proporzsystems ist die Regierungsbildung im Libanon traditionell schwierig. Der Staatspräsident ist stets ein maronitischer Christ, der Premierminister ein sunnitischer und der Parlamentssprecher ein schiitischer Muslim. »Früher oder später wird eine Regierung gebildet werden«, hieß es am Montag aus dem Präsidentenpalast.

 

Weil der Sunnit Hariri mit seiner »Zukunftsbewegung« im Parlament über keine ausreichende Mehrheit verfügt, benötigt er die Unterstützung der anderen Religionsgemeinschaften. Das Gerangel um die besten Ministerposten ist jetzt in vollem Gange. Am Montag morgen trafen sich Präsident Michel Aoun und Hariri zu einem Vieraugengespräch im Baabda-Palast in Beirut, dem Amtssitz des Präsidenten, um die Regierungsbildung voranzutreiben.

 

»Wir stimmen dem Präsidenten in jedem Punkt zu«, sagte Hariri im Anschluss gegenüber den Medien. Dennoch gebe es noch einige Differenzen mit anderen Beteiligten zu beseitigen. »Die Störer sind bestens bekannt.« Damit dürfte Hariri vor allem den Parlamentssprecher Nabih Berri meinen, den Chef der schiitischen Partei Amal. Berri will Suleiman Frangieh jr., den Führer der christlichen Marada-Bewegung, im Kabinett sehen. Aoun favorisiert jedoch den Christen Samir Geagea, den Vorsitzenden der rechtsnationalistischen Forces Libanaises.

 

Aoun und Berri liegen seit einiger Zeit über Kreuz und beschuldigen sich gegenseitig, die staatlichen Institutionen im Libanon zu schwächen. Berri wirft Aoun vor, dessen Freie Patriotische Bewegung habe zweieinhalb Jahre die Wahl eines neuen Präsidenten boykottiert. Das libanesische Parlament ist seit November 2015 nur ein Mal zusammengekommen, um neue Gesetze zu erlassen. Im nächsten Frühjahr sollen jetzt endlich Neuwahlen stattfinden. »Präsident Aoun lehnt eine Verlängerung der Legislaturperiode ab«, machte der Abgeordnete Walid Khoury, ein Parteigänger Aouns, im Radiosender Voice of Lebanon deutlich.

 

Wie das Kabinett Hariri am Ende auch aussehen mag, er und Staatspräsident Aoun stehen vor großen gesellschaftlichen Problemen. Im Zuge des Krieges in Syrien sind weit über eine Millionen Syrer über die Grenze in das kleine Nachbarland geflohen, das selbst nur rund sechs Millionen Einwohner hat. Das stellt den Zedernstaat vor eine kaum zu bewältigende Aufgabe, die Stimmung in der Bevölkerung wendet sich allmählich gegen die Syrer.

 

In seiner Antrittsrede forderte Aoun die Syrer auf, in ihr Land zurückzukehren und damit »aufzuhören, die Flüchtlingslager in ein Sicherheitsrisiko zu verwandeln«. Weil die meisten syrischen Flüchtlinge Sunniten sind, fürchten die Christen, sie könnten zu einer immer kleineren Minderheit im Land werden. Der libanesische Außenminister Gebran Bassil warnte, die Syrer würden die nationale Identität des Libanon zerstören. Er schlägt deshalb vor, die Flüchtlinge in sogenannten Sicherheitszonen in Syrien unterzubringen. Aoun und sein Außenminister liegen damit auf einer Linie mit dem syrischen Präsidenten Baschar Al-Assad, der seine Landsleute ebenfalls lieber in seinem Herrschaftsbereich sehen würde und nicht müde wird, die Syrer zur Rückkehr aufzurufen.

 

Am Mittwoch bricht der libanesische Außenminister zu einer zehntägigen Auslandsreise auf. Beobachter vermuten, dass es mit der Regierungsbildung dauern wird, bis Bassil wieder im Land ist. Er gilt als ein wichtiger Faktor bei der Zusammenstellung des Kabinetts Hariri. Der Parlamentsabgeordnete Khoury sagte laut der libanesischen NachrichtenagenturNational News Agency am Montag: »Das Kabinett wird bis zum Monatsende gebildet.«