Mehr als ein Jahr war der Libanon ohne Regierung, nun steht das neue Kabinett. Es muss die schwerste Wirtschaftskrise des Landes seit Jahrzehnten bewältigen. Der designierte Regierungschef kennt den Posten bereits.
Der Libanon leidet unter Engpässen bei Benzin und Medikamenten, massiver Inflation und hoher Arbeitslosigkeit – das Land erlebt seit fast zwei Jahren die schwerste Wirtschafts- und Finanzkrise seiner Geschichte. In dieser Lage bräuchte es eine Regierung, die die Probleme entschlossen angeht. Doch 13 Monate lang gab es keine, bis jetzt.
Nach einem langen Machtkampf haben sich der designierte Ministerpräsident Nadschib Mikati und Staatschef Michel Aoun auf ein neues Kabinett geeinigt. Die vorherige Regierung von Hassan Diab war nach der Explosionskatastrophe im Hafen von Beirut vor mehr als einem Jahr zurückgetreten. Seitdem verhinderten Rivalitäten zwischen den führenden politischen Kräften die Bildung eines neuen Kabinetts.
Am 4. August 2020 waren im Hafen von Beirut Hunderte Tonnen Ammoniumnitrat in einem Lagerhaus detoniert. Die Explosion machte ganze Stadtteile der libanesischen Hauptstadt dem Erdboden gleich, über 200 Menschen kamen ums Leben
Mikati war bereits 2005 sowie 2011 Ministerpräsident des Libanon. Vor ihm waren in den vergangenen Monaten zwei andere Politiker mit der Bildung einer neuen Regierung gescheitert. Zuletzt hatte der ehemalige Ministerpräsident Saad Hariri den Versuch der Regierungsbildung im Juli aufgegeben.
Auf Mikati, einen Unternehmer und Milliardär, sowie die anderen Minister wartet eine schwierige Aufgabe. Große Teile der Bevölkerung sind in Armut abgerutscht. Die libanesische Lira hat mehr als 90 Prozent ihres Wertes verloren. Die Stromversorgung funktioniert nur wenige Stunden pro Tag.
Der bankrotte Staat kann auch zahlreiche Subventionen und Importe nicht mehr finanzieren. Die internationale Gemeinschaft hat Hunderte Millionen Euro zur Unterstützung zugesagt. Diese sind jedoch an die Bedingung geknüpft, dass der Libanon eine Regierung bekommt, die in der Lage ist, notwendige Reformen umzusetzen.
Quelle Der Spiegel