Zu den gefährlichsten Ländern für Journalisten zählen die meisten Länder des Nahen Ostens und Nordafrikas: etwa Ägypten, der Irak oder Syrien. Ein Land ist aber ein Beispiel dafür, dass es in Sachen Pressefreiheit auch anders gehen kann – der Libanon.
Von Björn Blaschke, ARD-Studio Kairo, zurzeit Beirut
Der Libanon ist ein Land, in dem es mehr Zeitungen, Radio- und Fernsehsender gibt als Volks- und Religionsgruppen – und das sind viele: Kurden, Araber, syrisch-orthodoxe, maronitische, armenische oder anglikanische Christen, Muslime – Schiiten und Sunniten, Drusen und Alewiten. Sie alle haben ihre Medien, die zumeist von den religiösen Gruppen und deren Meinungsführern bezahlt werden – das garantiert Meinungsvielfalt.
Eine libanesische Zeitung gilt dennoch als unabhängig, weshalb sie auch überregional bekannt ist: “al-Nahar”. Bei dem 1933 von einem Christen gegründeten Traditionsblatt ist Nabil Bou Monsef verantwortlich für das Ressort Inneres. “Das libanesische Volk mit all seinen Konfessionen war – was die Wissenschaften angeht, Bildung, Kultur, Literatur – immer offen. Und ein Teil unseres alten Kulturgutes ist die Presse”, sagt Monsef über die Pressefreiheit in seinem Land.
Aufstand gegen syrische Besatzer
Die libanesische Gesellschaft ist ein Gruppen-Mix und Pluralismus pur. Doch viele Meinungen bedeuten auch viel Streit. Regionale Kräfte nutzen das immer wieder und mischen sich im Libanon ein. Dadurch befeuert begann 1975 ein Krieg, der erst 15 Jahre später endete. Die Soldaten des großen Nachbarlandes Syrien blieben bis 2005 – als Besatzer.
Damals hatten immer mehr Libanesen begonnen, sich gegen die syrische Oberherrschaft auszusprechen. Manche der wichtigen Kritiker wurden ermordet, unter ihnen der Ex-Regierungschef Rafiq al-Hariri. Es hieß, die Führung in Damaskus habe diesen Mord wie auch andere angeordnet, etwa an Journalisten – Freunden von Monsef: “Damals waren wir im Krieg gegen das syrische Regime, weil es den Libanon beherrschte. Dann hat das syrische Regime seine beliebte Methode angewandt: Eliminierung der Gegner. Damals wurden 14 libanesische Persönlichkeiten getötet.”
Nach großen Protesten im Libanon zogen die Syrer schließlich ab. Die syrische Führung hat aber nach wie vor einen wichtigen Verbündeten im Libanon: die Hisbollah, eine schiitische Organisation, deren Milizionäre an der Seite von Präsident Bashar al Assad in Syrien kämpfen. Das kritisieren Assads Gegner im Libanon sehr offen und klar – auch Monsef.
Pluralismus – Segen und Fluch
Aber, so sagt er, die Hisbollah nehme diese Kritik hin: “Die Hisbollah ist ein Teil Libanons und sie repräsentiert einen großen Teil dieser Gesellschaft – die Schiiten. Das sind Bürger dieses Landes, wie ich. Am Ende müssen wir uns die Macht teilen.” Er selbst arbeite aber nicht mit der Hisbollah zusammen und stehe gegen ihre Politik: “Doch seit ich Journalist bin, wurde ich nicht ein Mal von der Hisbollah wegen meiner Meinung angegangen.”
Der Libanon – das Paradebeispiel für Pressefreiheit im Nahen Osten und Nordafrika. Sieht Monsef das in Gefahr? Immerhin hat sich ja schon manches Mal gezeigt, dass Pluralismus beides sein kann, Segen und Fluch zugleich: “Japan ist unter einer ständigen Erdbebenbedrohung, weil es in einer Erdbebenregion liegt. Unser Erdbeben im Libanon ist das ethnische und religiöse System. Wir leben mit der Krankheit Ethnizität und Konfessionalismus.”