Die Rekonstruktion der Weinpresse in Tell el-Burak.
Im Libanon haben Archäologen aus Tübingen und Beirut eine Weinpresse aus der Eisenzeit ausgegraben. Das Verfahren war am Mittelmeer noch bis ins 20. Jahrhundert in Gebrauch.
Mehr als zweieinhalb Jahrtausende lang hat sich bei der Produktion von Wein wenig geändert. Das zeigt eine Entdeckung, die ein Team libanesischer und deutscher Archäologen jetzt bei einer Ausgrabung in Tell el-Burak gemacht hat, knapp 50 Kilometer von Beirut: Sie fanden eine Weinpresse aus der Eisenzeit, die aus dem 7. Jahrhundert v. Chr. stammt und von den dort lebenden Phöniziern benutzt wurde.
Es handelt sich um ein rechteckiges Becken, in dem Beeren von Arbeitern zertreten wurden. Unterhalb dieses Bassins gibt es ein zweites, halbrundes Becken, in das der Traubensaft floss. Beide Becken bestehen aus grobem Stein und sind mit einem besonderen wasserresistenten Kalkputz ausgekleidet. In manchen Regionen am Mittelmeer wurden noch bis ins beginnende 20. Jahrhundert Weintrauben nach demselben Prinzip ausgepresst; der Begriff dafür – keltern – leitet sich vom lateinischen Verb „calcare“ ab, zu Deutsch: „mit den Füßen treten“.
Tell el-Burak ist ein sogenannter Kulturschutthügel, also der Überrest einer menschlichen Siedlung – in diesem Fall wie zum Beispiel auch beim viel bekannteren Kulturschutthügel Hisarlik Tepe in der Westtürkei, besser bekannt als Troja, sogar von mehreren Siedlungen übereinander. Die Stätte wird seit 2001 als libanesisch-deutsches Gemeinschaftsprojekt ausgegraben
Neben Überresten aus der mittleren Bronzezeit (1600 bis 1400 v. Chr.) konnten auch die Überreste einer kleinen phönizischen Siedlung aus dem späten 8. bis in die Mitte des 4. Jahrhunderts v. Chr. freigelegt werden. Wahrscheinlich diente dieser Ort der Versorgung der Hafenstadt Sidon mit Lebensmitteln. Tell el-Burak war südwestlich und südöstlich von einer 2,50 Meter breiten Terrassenmauer eingegrenzt.
„Südlich einer dieser Mauern haben wir die gut erhaltene Weinpresse entdeckt. Sie war am Hang des Hügels angelegt worden“, schreiben Adriano Orsingher, Jens Kamlah, Silvia Amicone und Christoph Berthold von der Universität Tübingen sowie Hélène Sader von der American University in Beirut in ihrem Artikel in der Fachzeitschrift „Antiquity“.
„Wir hatten Textbelege für phönizischen Wein aus Byblos (im Nordlibanon) und Sidon (im Süden), und jetzt haben wir archäologische Beweise für die phönizische Weinproduktion“, sagte Sader. Frühere Forschungen in Tell el-Burak ergaben bereits, dass in der Umgebung des Ortes auf größeren Flächen Trauben angebaut wurden. „Wir gehen davon aus, dass dort für einige Jahrhunderte in großem Stil Wein hergestellt wurde. Für die Phönizier hatte er große Bedeutung, sie nutzten Wein auch in religiösen Zeremonien“, sagten die Autoren.
Bisher gab es kaum Nachweise für die Weinherstellung in Phönizien. Allerdings zeigten die vielfach gefundenen Amphoren bereits, dass es sich um ein wichtiges Gut handelte, das auch exportiert wurde. „Die neue Entdeckung liefert zahlreiche Hinweise, wie die Weinpioniere das Getränk herstellten“, sagte Orsingher. Phönizier spielten der Studie zufolge eine wichtige Rolle bei der Verbreitung des Weins im Mittelmeergebiet.