Foto Ausstellung :war on wall”

 

Es ist eine der größten touristischen Attraktionen Berlins – die sogenannte East-Side-Gallery, das größte noch zusammenhängende Teilstück der einstiegen Berliner Mauer, die hier darüber hinaus auf beiden Seiten mit bunten Graffiti verschönert wurde.

 

Die andere Seite – konsequenterweise West-Side-Gallery genannt – weist in Richtung Spree und rahmt einen kleinen Park ein, auf dem sich vornehmlich große Gruppen Jugendlicher treffen und von dem aus Ausflugsboote zu den Touren auf der Spree starten. Dort hat der Berliner Dokumentarfotograf Kai Wiedenhöfer sein neuestes Projekt “War on Wall”realisiert und die Mauer auf einer Länge von 360 Metern plakatiert.

 

Porträts und Panoramen aus Syrien

 

Die Ausstellung besteht aus drei Fotoserien: der Porträtarbeit “40 out of one Million”, der Serie “Kobanê”mit Panoramabildern aus der syrisch-kurdischen Stadt und eingestreut dazwischen sogenannte Found-Footage-Bildern eines zerstörten Fotostudios aus Kobanê.

 

Die Bilder entstanden bei mehreren Aufenthalten Wiedenhöfers in der Region zwischen 2013 und 2015. Zu Anfang bereiste er die Flüchtlingslager in Jordanien um Opfer des Kriegs zu porträtieren, die dem Kriegsgräuel entronnen waren. Mit der Serie “40 out of one million”, über die er im vergangen Jahr mitQantara.de sprach, wollte er beispielhaft auf die Massivität der Kriegsfolgen für die Zivilbevölkerung aufmerksam machen. Wie mit dem Porträt der beiden Schwestern Duwa’a und Shawd, deren Haus von einer Granate getroffen wurde.

Beginn des Jahres 2015 reiste er dann nach Kobanê im Norden Syriens. Die Bilder, die er dort anfertigte, zeigen eindrücklich auf, in welch desaströsem Zustand die mehrmonatigen Kämpfe zwischen dem “Islamischen Staat” und den kurdischen Milizen die einst wohlhabende Stadt zurückgelassen haben. Unterstützt wird dieser Eindruck wesentlich vom Panoramaformat der Fotografien. In der Berliner Open-Air-Ausstellung wird vor allem durch die Kombination mit den aufgefundenen Porträts der Einwohner Kobanês, die sich vor bunten Tapeten ineinem lokalen Fotostudio fotografieren ließen, schmerzlich der hohe Preis des Krieges bewusst.

 

Das Spiel mit der Mauer und der Größe

 

Kai Wiedenhöfer will die Medienkonsumenten mit einem anderen Bild aus Syrien konfrontieren, wie sie es aus der alltäglichen Berichterstattung nicht gewohnt sind und ihre klassischen Sehgewohnheiten herausfordern. Dabei ist beeindruckend und gleichzeitig erschreckend die enorme Größe der Bilder.

 

“Zuerst interagiert das Publikum direkt mit den Bildern bedingt durch die Größe von 3×9 Metern. Gefühlt stehen die Besucher direkt in der Szenerie”, so Wiedenhöfer. Davon kann sich jeder direkt vor Ort überzeugen: Sieht man Besucher vor einer Straßenszene Kobanês stehen und kneift etwas die Augen zu, hat man das Gefühl man befände sich vor Ort.

 

Es ist nicht das erste Mal, dass die “West-Side-Gallery” von Kai Wiedenhöfer bespielt wird. Bereits vor drei Jahren zeigte er am gleichen Ort seine Ausstellung “Wall on Wall”. Damals waren die Symbolik und die inhaltlichen Bezüge zwischen dem Ort und dem Gezeigten insofern besser greifbar, als dass die Bilder seines Projekts “Confrontier” Mauern und Grenzzäune auf der ganzen Welt zeigten.

 

Den Ausgangspunkt bildete eine Fotografie Wiedenhöfers von den Tagen der Maueröffnung in Berlin im Jahr 1989. Die weiteren Aufnahmen reichten von der Grenzanlage zwischen dem türkischen und dem griechischen Zypern, der Mauer in Israel/Palästina über den Grenzzaun zwischen den beiden Koreas hin zum amerikanischen Abschottungssystem an der mexikanischen Grenze. Anders als beim letzten Projekt hat er sich dieses Mal mit der “Berliner Gesellschaft für Humanistische Fotografie” Experten für die Präsentation dokumentarischer Fotografie mit ins Boot geholt.

 

Die Eroberung des öffentlichen Raumes

 

“Jeder kann hingehen, es ist sehr viel demokratischer und offener als eine Ausstellung in einer Galerie oder Museum”, so Kai Wiedenhöfer über seine Ortswahl. Die Ausstellung ist 24 Stunden lang begehbar. Und so ändert sich auch das Publikum. Kommen morgens die Touristengruppen, nachmittags die Familien, so laufen abends das Partypublikum oder die Gäste der gegenüberliegenden Mercedes-Benz Arena vorbei. Das macht den Charme einer Open-Air-Ausstellung aus, aber auch das Risiko. Im Juli wurde die Ausstellung mehrmals beschmiert. Zuerst fand sich eine Flagge der “Free Syrian Army”, dann versah jemand ein Porträt mit dem Slogan “Bashar al-Assad best”. Jedes Mal rückt Kai Wiedenhöfer mit einem Team an, um Reparaturen auszuführen.

 

Trotz der Sensibilität die eine Ausstellung im öffentlichen Raum mit sich bringt, hat Wiedenhöfer keine inhaltlichen Abstriche gemacht. Die Gesprächsprotokolle der syrischen Flüchtlinge sind lang und nicht gerade einfach zugänglich. Wer sich durch alle durcharbeiten will, der ist einige Zeit beschäftigt. So finden sich die Hartnäckigen, die die kompletten 360 Meter ablaufen ebenso wie die Kurzbesucher, die sich mit einem Selfie vor der Wand zufriedengeben. Jeder nach seiner Fasson und Auffassungsgabe.