Ob Nordkorea, Syrien oder Libyen: Christen sind laut einer Studie die am stärksten verfolgte Glaubengemeinschaft. Triebfeder sei dabei vor allem der islamische Extremismus.
Das christliche Hilfswerk “Open Doors” prangert in seinem “Weltverfolgungsindex 2016” an, dass aktuell mehr als 100 Millionen Christen aufgrund ihres Glaubens verfolgt würden. Damit seien Christen die “größte verfolgte Glaubensgemeinschaft”, sagte der Leiter der Organisation, Markus Rode, bei der Vorstellung des Berichts in Kelkheim.
Die Zahl der wegen ihres Glaubens ermordeten Christen sowie der attackierten oder sogar zerstörten Kirchen habe sich seit dem Vorjahr in etwa verdoppelt. Im Berichtszeitraum wurden demnach 7.100 Christen wegen ihres Glaubens ermordet und 2.406 Kirchen attackiert. Im Jahr zuvor waren es 4.344 ermordete Christen und 1.062 angegriffene Kirchen. Für die Erhebung wurde der Zeitraum zwischen November 2014 und Oktober 2015 untersucht.
Die Statistik listet die 50 Länder auf, in denen Christen nach Darstellung von “Open Doors” in ihrer Religionsfreiheit am stärksten verfolgt und benachteiligt werden. In 35 der 50 aufgeführten Staaten sei der islamische Extremismus die “Haupttriebkraft” der Verfolgungen. Großen Anteil daran hätten islamistische Gruppen wie die Terrororganisation Boko Haram, die somalische Terrormiliz Al-Shabaab und der “Islamische Staat” (IS). Sie und Teile der Bevölkerung gingen mit extremer Gewalt gegen Christen und andere Minderheiten vor, die ihr Verständnis vom Islam nicht teilen.
Die üblichen Verdächtigen
Am schlechtesten gehe es den Christen jedoch in Nordkorea, das im 14. Jahr hintereinander den Index anführt. Arbeitslager, Folter, Misshandlungen – kein Land der Welt geht so brutal mit Christen um wie Nordkorea. Auf den kommunistischen Staat folgen in dem Negativranking der Irak, Eritrea, Afghanistan, Syrien, Pakistan, Somalia, Sudan, der Iran und Libyen.
In der Kategorie “Gewalt gegen Christen” ragen laut der Studie Pakistan und Nigeria negativ heraus. Der “extreme Druck” auf die dort lebenden Christen gehe von islamistischen Gruppen und Imamen aus. Diesen gelinge es, binnen kürzester Zeit Tausende Muslime gegen Christen aufhetzen. Das pakistanische Strafrecht sieht zudem die Todesstrafe für Blasphemie vor, was Muslime im Land verstärkt als Freibrief deuten, selbst gegen religiöse Minderheiten vorzugehen. In hinduistisch und buddhistisch geprägten Ländern wie Indien und Myanmar führt nach Beobachtungen von “Open Doors” ein zunehmender religiös motivierter Nationalismus zu einer Radikalisierung und einer deutlichen Intensivierung von Christenverfolgung.
Neu vertreten im Weltverfolgungsindex sind Niger (Rang 49) und Bahrain (Rang 48). Niger sei wie andere Länder Afrikas unter den Einfluss der islamistischen Boko Haram geraten. In Bahrain gewinne die Idee von der Errichtung eines Kalifats im Stil des IS immer mehr Anhänger.
Politik ist gefordert
“Angesichts eines Exodus von Christen aus dem Nahen Osten müssen Politiker und Kirchen ihre Anstrengungen zum Schutz und zur Unterstützung verfolgter Christen deutlich verstärken”, fordert der Leiter von “Open Doors”, Rode. Unionsfraktions-Chef Volker Kauder betonte, der Bericht müsse die Gesellschaft aufrütteln: “Es ist zutiefst erschütternd, dass der Grad der Verfolgung von Christen so dramatisch zugenommen hat.” Deutschland sowie die Weltgemeinschaft müssten “noch stärker als bisher den wachsenden religiösen Fanatismus ächten”.
Das Hilfswerk “Open Doors” unterstützt nach eigenen Angaben verfolgte Christen in etwa 60 Ländern weltweit. Die Organisation bezeichnet sich als überkonfessionell, steht aber der evangelikalen Deutschen Evangelischen Allianz nah. Nicht immer wird mit Nothilfeprogrammen geholfen, sondern auch mit der Lieferung von Bibeln, der Unterstützung von deren Übersetzung und theologischen Schulungen.
Die Daten für den Weltverfolgungsindex werden über Antworten zu einem umfangreichen Fragenkatalog ermittelt, den das Netzwerk alljährlich eigenen Fachleuten, externen Experten und Kirchenleitern vor Ort vorlegt. Trotz Schwächen kann das Ranking bei einer Einordnung helfen, weil die Befragten vor Ort einen unmittelbaren Einblick in die Situation des betreffenden Landes haben.