Libanons langer Weg zum Minimalskonsens

Trotz eines brutalen Kriegs im Nachbarland Syrien und Millionen syrischer Flüchtlinge im eigenen Land hatten es Libanons Parlamentarier nicht eilig mit Neuwahlen. Eigentlich war das libanesische Parlament 2009 nur für eine Vier-Jahres-Periode gewählt worden. Aber ein komplexes konfessionelles Wahlsystem und der Streit darüber machten zwei Wahlverschiebungen notwendig.

Nach der zweiten Wahlverschiebung wären die Wahlen eigentlich für Mai 2017 vorgesehen gewesen, aber wie schon zuvor platzte auch dieser Termin, weil man sich nicht auf ein neues Wahlgesetz einigen konnte. Hätte man sich nicht bis zur von Präsident Michel Aoun gesetzten Deadline am 20. Juni geeinigt, wäre der Libanon ohne Parlament dagestanden. Angesichts der Dysfunktion des Abgeordnetenhauses hätten nur wenige Libanesen damit echte Probleme gehabt.

Im letzten Augenblick kam dann dennoch die Einigung: Mitte der Woche beschloss das Kabinett ein neues Wahlgesetz, am Freitagnachmittag stimmte das Parlament der Änderung zu. Premierminister Saad Hariri lobte das neue Wahlgesetz als “historische Errungenschaft”. Das bisherige Wahlsystem, in dem die Parlamentssitze durch Mehrheitswahlrecht vergeben wurden, wird durch ein proportionales Wahlsystem ersetzt.

Minimalkonsens

Was zunächst nach einem großen Wurf klingt, ist letztlich nur ein Minimalkonsens. Statt 26 Wahlkreisen, in denen bisher die 128 Parlamentssitze nach dem “The winner takes all”-Prinzip vergeben wurden, gibt es künftig nur mehr 15 Wahlkreise in denen die Parlamentssitze nach dem Verhältniswahlrecht gewählt wird.

Am für den Libanon typischen konfessionellen Grundprinzip ändert sich freilich nichts. Die Parlamentssitze werden nach den im Libanon zahlreich vertretenen Konfessionen vergeben: 64 Sitze sind für Christen und Minderheiten, 64 für Muslime und Minderheiten bestimmt. Allerdings wurden viele Wahlkreise so gezogen, dass Parlamentssitze, die z.B. für christliche Abgeordnete vorgesehen waren, von Muslimen gewählt wurden bzw. Muslime im “Winner takes all”-Prinzip im Wahlkampf zwischen zwei christlichen Abgeordneten den Ausschlag gegeben haben.

Durch die Änderungen im Wahlsystem sollen nun mehr christliche Parlamentssitze auch tatsächlich von christlichen Wählern gewählt werden.

Hohe Eintrittshürde

Gleichzeitig wurde ein komplizierter Schlüssel eingeführt, der es neuen politischen Bewegungen schwierig macht, ins Parlament einzuziehen. Damit sicherten sich die etablierten Parteien vor neu entstandenen Bürgerbewegungen ab, die angesichts des politischen Stillstands im Land in jüngster Zeit an Zuspruch gewonnen haben. Andere – lange geforderte – Reformen wie das Einführen einer Frauenquote und die Senkung des Wahlalters von 21 auf 18 wurden verschoben.

Auch mit den Wahlen selbst hat man es nicht eilig: Sie sollen erst in elf Monaten, im Mai 2018, stattfinden. (red, 16.6.2017)