John Barnes traute seinen Augen nicht. Wenige Tage vor der Abstimmung über Großbritanniens Ausscheiden aus der Europäischen Union erhielt er eine Textnachricht von seinem Sohn. Darin erfuhr der 79fache ehemalige englische Nationalspieler, dass Michael Gove, einer der Sprecher der “Leave”-Kampagne, ihn als Unterstützer des Brexit gelobt hatte.
Dabei sei er gegen den Brexit, so betonte Barnes in einem Beitrag für den “Guardian”. Er habe nur darauf hingewiesen, dass es für britische Fußballer besser sei, wenn das Vereinigte Königreich nicht mehr Teil der EU sei. Da es dann weniger Konkurrenz für einheimische Spieler in den britischen Profiligen gebe, würden sie profitieren. Aber stimmt denn Barnes’ Vermutung, dass nach dem Brexit weniger ausländische Spieler in der Premier League spielen werden?
Der Kursverlust des Pfunds
Die unmittelbarsten Folgen könnten sich aus dem Wertverlust des britischen Pfunds ergeben, falls die Währung sich in den kommenden Monaten nicht wieder erholen sollte. Denn die ausländischen Stars werden auf der Insel in Pfund Sterling bezahlt. Dessen Kaufkraft könnte durch den schlechteren Wechselkurs drastisch sinken.
Auf rechtlicher Ebene wird es etwas länger dauern, bis der Brexit sich in den Arbeitsverhältnissen von Fußballprofis niederschlägt. Noch hat Großbritannien den Abschied von der Union gar nicht angekündigt, und erst dann beginnt eine höchstens zweijährige Übergangsphase. Anschließend würden alle EU-Bürger im Vereinigten Königreich nach jetzigem Stand als Ausländer gelten, die eigene Arbeitsgenehmigungen bräuchten, um Verträge auf der Insel zu unterschreiben.
Arbeitserlaubnis für Europäer in Großbritannien
Bisher gilt diese Voraussetzung nur für Nicht-EU-Ausländer, alle anderen genießen das Recht der Personenfreizügigkeit innerhalb der Union. Dieser Vorteil fiele bei einem vollständigen Austritt weg. Arbeitserlaubnisse erhalten nach bisheriger Praxis nur Spieler, die einen bestimmte Mindestanzahl an Länderspielen für ihre Heimat absolviert haben, nach Weltranglistenposition gestaffelt. Damit soll gewährleistet werden, dass Top-Stars problemlos verpflichtet werden können, mäßige Spieler aber nicht Briten die Arbeitsplätze wegnehmen.
Wenn die bestehenden Regeln auf alle aktuell in England und Schottland tätigen EU-Bürger angewendet würden, käme es zu drastischen Einschnitten vor allem in den unteren Ligen, in denen eher unbekannte Profis spielen. Der Journalist Keir Radnedge hat errechnet, dass kein einziger in Schottland unter Vertrag stehender EU-Profi die Voraussetzungen erfüllen würde, und nur 23 der 180 Spieler in der zweiten Liga. In der englischen Premier League sähe der Prozentsatz anders aus, doch auch hier wären mindestens hundert Profis betroffen, schätzt Radnedge.
Es muss nicht so dramatisch werden
Allerdings trifft das Problem der Erteilung von Arbeitserlaubnissen nur Spieler, die neu in die Liga kämen, keine Profis, die bereits unter Vertrag stehen. Auch ist bisher überhaupt nicht klar, in welchem Ausmaß das Königreich mit der EU verzahnt bleibt. Um den Zugang zum Binnenmarkt zu wahren, müsste das Land wie zum Beispiel die Schweiz sich prinzipiell zur Personenfreizügigkeit in Europa verpflichten. Genau das allerdings hatten die Brexit-Befürworter stets abgelehnt.
Dennoch hat Karren Brady, Vizepräsidentin von West Ham United, bereits im Januar vor “verheerenden Konsequenzen” für den englischen Fußball gewarnt. Positiver sieht es Greg Dyke, der Präsident des Fußballverbands FA. Inzwischen kämen nur noch 30 Prozent der Spieler in der Premier League aus England, dies sei “eine Schande”, erklärte der FA-Chef. “Wenn sich die Zahl der englischen Spieler vergrößert, ist das sehr willkommen.” Spieler wie Bastian Schweinsteiger aber will auch Dyke sicher nicht vertreiben.
Welche deutschen Fußballer spielen in Großbritannien – und inwiefern sind sie von einem Brexit betroffen? Der Überblick: