München – Was in Europa aus den Ländern im Nahen und Mittleren Osten zu hören ist, ist selten positiv. Krieg, Selbstmordanschläge und das Leid der Flüchtlinge bestimmen die Nachrichten.
Der Filmemacher Halkawt Mustafa bedauert das. «Alle denken, jeder weint die ganze Zeit», sagt der kurdische Regisseur aus dem Irak, der mittlerweile in Norwegen lebt. Er will den Zuschauern seiner Filme das normale Leben seiner Heimat zeigen, den Irak «aus menschlicher und nicht aus politischer Sicht. Ich will, dass die Leute lächeln.» Mit seinem Roadmovie «El Clásico» ist ihm das gelungen. Auf dem Filmfest München hat er die wunderbare Geschichte über zwei kleinwüchsige Brüder vorgestellt, die unbedingt nach Madrid wollen, um dort den Fußball-Superstar Cristiano Ronaldo zu treffen.
So wie Mustafa denken auch andere Filmemacher. Der Iraner Morteza Farshbaf zum Beispiel. Sein nachdenklicher Film «Avalanche» erzählt von einer Frau aus Teheran, die eine schwerkranke alte Dame pflegen soll. Doch die Aufgabe bringt sie an ihre Grenzen, erst recht, weil es plötzlich heftig und ausdauernd anfängt zu schneien. Es sind Szenen eines Lebens, wie es überall sein könnte: ein Ehepaar beim Abendessen, Möbelpacker beim Umzug. Dazwischen ein Auf und Ab der Gefühle und kleine Momente menschlicher Nähe. «Kino ist eine der wenigen Möglichkeiten, wo man die wirkliche Sicht auf unser Leben zeigen kann, abseits der Politik», sagt Farshbaf.
Doch die Bedingungen, unter denen die Filme entstehen, sind schwierig. Gerade in Ländern mit fundamentalistischen Strömungen sehen sich die Filmemacher mit vielen Einschränkungen und Zensur konfrontiert, wenn ihre Streifen im eigenen Land überhaupt gezeigt werden dürfen. Und manche Themen wie Sexualität oder Kritik am Islam sparen sie lieber aus. Zu gefährlich, finden sie. «Man will nicht sterben, nur um einen Film zu machen», pflichtet Noura Kevorkian bei, die in «23 Kilometer» einen an Parkinson erkrankten Mann im Libanon porträtiert hat. Ein Film, in dem fast nichts gesprochen wird, umso eindringlicher wirken Bilder und Musik.
Ganz außen vor bleibt das politische Geschehen dennoch nicht. Mohamed Diab etwa lässt seinen emotional aufgeladenen Film «Clash» über die Revolution in Ägypten in einem Gefängniswagen der Polizei spielen, der sich seinen Weg durch die aufgebrachten Massen der Demonstranten und ihrer Gegner bahnt. An Bord sind ein Haufen Menschen mit kontroversen politischen Ansichten und mehrere Polizisten.
Stellung für oder gegen eine Seite wollte Diab bewusst nicht beziehen. Stattdessen kam es ihm auf das an, was im Wagen passiert. «Es geht um Menschlichkeit und das, was die Leute vereint.» Das ist auch das Thema von Mai Masri in ihrem Drama «3000 Nights» über eine palästinensische Lehrerin, die unschuldig im Gefängnis sitzt und dort einen Sohn zur Welt bringt. «Menschliche Geschichten sind mir sehr wichtig», erklärt sie. «Wir sind Leute mit einem Gesicht.»
Allgegenwärtig sind die politischen Spannungen auch in «Go Home» von Jihane Chouaib. Die Christin Nada kehrt nach vielen Jahren im Exil in den Libanon zurück. Sie will herausfinden, was mit ihrem Großvater geschehen ist, der während des Bürgerkrieges spurlos verschwunden ist. Die Szenen aus ihrer Kindheit, erzählt in Rückblenden, sind begleitet von einer ständigen Geräuschkulisse: Hubschrauber, Gewehrknattern und Explosionen. «Go Home» zeigt die Zerrissenheit des Landes, die Verletzungen, die die Menschen davongetragen haben.
Am meisten fehlt es den Filmemachern an Geld. Fördertöpfe gibt es kaum, und so gelingt das Werk meist nur mit Hilfe aus dem Ausland. «Europa ist sehr wichtig für uns», erklärt der türkische Regisseur Emin Alper, der in «Frenzy» die Angst vor dem Terror in Istanbul schildert. Der kurdisch-iranische Filmemacher Bahman Ghobadi, der mit «Zeit der trunkenen Pferde» bekannt wurde, will deshalb demnächst in den USA drehen. «Wir haben tausend Geschichten, wir sind nicht arm, wir sind reich. Aber wir haben nicht das Geld, das zu verwirklichen, es auf die Leinwand zu bringen», sagt er bedauernd.
Dass das Geld aus westlichen Ländern nicht nur gute Folgen hat, diese Erfahrung musste der Ägypter Diab machen, nachdem er seinen politisch motivierten Film bei den Filmfestspielen in Cannes vorgestellt hatte. Auf einmal habe es geheißen, sein Film sei vom Westen finanziert und er ein Spion – alles wegen des Geldes aus Frankreich. «Es ist ein Segen und ein Fluch, aber trotzdem wäre ich lieber verflucht, als gar keinen Film zu machen.»