Seit nun fünf Jahren versinkt Syrien in einem blutigen Bürgerkrieg. Millionen Menschen sind bereits aus dem Land geflohen, nach Jordanien, in den Libanon – und nach Europa.
Seither diskutieren Politiker innerhalb der EU über den Umgang mit syrischen Flüchtlingen. Die Stimmung innerhalb der Union ist zunehmend vergiftet.
Staaten schließen ihre Grenzen, Kontingentlösungen werden eher aus Verlegenheit umgesetzt, als aus ehrlicher Solidarität. Einigkeit in der Flüchtlingsfrage herrscht in der EU schon lange nicht mehr.
Niemand von uns hat sich seine Nationalität ausgesucht“
In der Diskussion um die Zukunft des Bürgerkriegslandes Syrien und den Umgang mit syrischen Flüchtlingen kommt eine Stimme häufig zu kurz: die der Syrer selbst. Im EU-Parlament hat ein junger Syrer jetzt mit einer aufrüttelnden Rede für Aufsehen gesorgt – und begeisterten Applaus geerntet.
In Anwesenheit der EU-Vize-Parlamentspräsidentin Mairead McGuinness und weiteren EU-Parlamentariern sprach der 25-jährige Nour Machlah auf dem European Youth Event im Straßburger Parlamentsgebäude. 7500 junge Europäer unter 30 waren zu der Veranstaltung geladen, tausende Zuschauer verfolgten die Live-Übertragung der Diskussionsrunde online.
Gleich zu Beginn fragt er die Anwesenden: “Habt ihr euch eure Nationalität ausgesucht?“ Und er beantwortet die Frage selbst: “Niemand von uns” habe die Möglichkeit dazu.
Er stamme aus Syrien, und darauf sei er stolz. Er sei auch stolz auf seine Religion und Kultur – habe diese aber ebenso wenig selbst gewählt. Machlah führt den Teilnehmern im EU-Parlament vor Augen: Niemand kann sich sein Schicksal aussuchen. Umso wichtiger ist es, denen zu helfen, deren Schicksal es weniger gut mit ihnen meint.
Er fragt: “Glaubt ihr, es ist einfach für uns, die Leute nach Hilfe zu fragen, die Leute anzusehen, die uns ablehnen?“ Es sei zwar ihr gutes Recht, syrische Flüchtlinge nicht aufnehmen zu wollen. Dennoch mache es ihn unglücklich zu sehen, wie Menschen den Syrern mit Ablehnung begegneten.
Nour Machlah ist 25 Jahre alt. Nach Beginn des Krieges in Syrien floh er nach in den Libanon, dann in die Türkei. Mittlerweile studiert er in Portugal und tritt als öffentlicher Redner zu Themen wie Menschenrechte und Krieg auf.
Auch im EU-Parlament hatte er viele der Zuhörer schnell auf seiner Seite. Zahlreiche Anwesende applaudierten Machlah bereits nach wenigen Sätzen – teilweise stürmisch. Andere blieben dagegen still auf ihren Plätzen sitzen und verschränkten die Arme. Die Szenen stehen wohl symbolisch für die Zerstrittenheit Europas. Die EU im Kleinformat – und mittendrin ein wortgewandter Syrer.
Machlah ließ sich nicht beirren: Er appellierte an die Menschlichkeit der EU. Und er beendete seine Rede schließlich mit einem bewegenden Appell: “Ich will nicht, dass ihr alle Flüchtlinge willkommen heißt. Ich will nur, dass ihr über all das nachdenkt und dann entscheidet. Ich respektiere eure Entscheidung.”