Erftstadt-Erp –
Es geschah mitten in der Nacht. Am Mittwoch gegen zwei Uhr betraten Mitarbeiter der Ausländerbehörde des Rhein-Erft-Kreises das Erper Pfarrhaus. Die Stadt hat es als Flüchtlingsunterkunft angemietet, im Erdgeschoss befindet sich das Sekretariat, im Obergeschoss leben die Flüchtlinge. Eine vierköpfige Familie aus dem Libanon wohnte dort seit Jahresanfang – nun sollte sie zügig das Haus verlassen.
Pastor Willi-Josef Platz hatte das Obergeschoss des Hauses bereits 2015 zur Verfügung gestellt, er hat eine Wohnung in der Nachbarschaft gemietet. Seitdem ziehen hier Flüchtlinge ein und aus. Manche bleiben Monate, manche länger als ein Jahr, heißt es von der Pfarrgemeinde St. Pantaleon.
Mitarbeiter des Ordnungsamtes hätten bei der nächtlichen Aktion das Haus aufgeschlossen, berichtet Pfarrer Platz. Die Familie sei nach Frankreich gebracht worden. Dort waren die Libanesen bei ihrer Ankunft in Europa erstmals registriert worden. „Die rechtlichen Voraussetzungen für die Aktion mögen ja gegeben gewesen sein, aber die rabiate Art und Weise finde ich empörend und unmenschlich. Die beiden Kinder gingen hier in die Grundschule, waren integriert.“ In der Nacht seien bei den traumatisierten Menschen seelische Wunden wieder aufgerissen.
Helga Berbuir von der Vereinigung Pro Asyl kann das Entsetzen des Pastors gut nachvollziehen. „Pro Asyl beklagt seit längerem grundsätzlich, dass bei der Art und Weise solcher Aktionen die Menschlichkeit auf der Strecke bleibt.“ Wenn Menschen gegen ihren Willen weggeholt würden, geschehe das in aller Regel ganz schnell und nachts, damit niemand abtauchen könne.
„Aber genau diese Gefahr besteht bei einer vierköpfigen Familie ja wohl kaum. Wo sollen sie denn mit ihren Kindern plötzlich hin verschwinden?“, fragt Berbuir. Die Tragik solcher Aktionen liege darin, dass die Migranten mit großen Hoffnungen nach Deutschland kämen und nicht wahrhaben wollten, dass sie irgendwann gemäß der Dublin-3-Verordnung abgeschoben würden. Wenn die Rechtslage klar sei, sollten die Menschen sich lieber mit der Behörde in Verbindung setzen. Dann könne die Rückreise organisiert werden, und Rückführungsgeld gebe es noch obendrein.
Keine Bleibeperspektive
Die Rechtslage sei eindeutig gewesen, heißt es vom Rhein-Erft-Kreis . „Auch ein anwaltliches Vorgehen beim Verwaltungsgericht Köln führte zu keiner anderen Entscheidung. Die Familie wusste seit fast fünf Monaten, dass sie in Deutschland keine Bleibeperspektive hat und nach Frankreich ausreisen muss“, erklärt Pressesprecher Simon Schall. Die Kreisverwaltung habe keinerlei Ermessensspielraum gehabt. Aktionen dieser Art würden in Abstimmung mit Landesbehörden (in diesem Fall mit der Zentralstelle für Flugabschiebungen in Bielefeld) ausgeführt.