Larossi Abballa erstach einen Polizisten, nahm dessen Freundin und Kind als Geiseln. Ein Spezialkommando stürmt die Wohnung, erschießt den 25-Jährigen. Der Täter ist kein Unbekannter für die Polizei.
Der 25-jährige Larossi Abballa erstach am Montag in Magnanville einen 42-jährigen Polizisten vor dessen Haus
– Abballa nahm dessen Lebensgefährtin und Kind des Polizisten als Geiseln
– Nach ergebnislosen Verhandlungen stürmten Spezialkräfte das Gebäude und erschossen den Angreifer
– Einsatzkräfte entdeckten die Leiche der Frau, der dreijährige Sohn überlebte
– Frankreichs Innenminister Cazeneuve sprach von einem “erbärmlichen Terrorakt”
– Aballa war wegen “Vorbereitung von Terroranschlägen” vorbestraft
– Er filmte den Angriff und streamte die Tat via Facebook Live
– Zwei weitere Verdächtige wurden festgenommen
Mitten während der EM in Frankreich hat ein vorbestrafter Islamist nahe Paris einen Polizisten und dessen Lebensgefährtin getötet. Der 25-jährige Larossi Abballa erstach am Montagabend zunächst im Pariser Vorort Magnanville einen Polizisten und nahm dessen Partnerin und Kind als Geiseln. Danach verschanzte er sich im Haus der Familie.
Weil Verhandlungen mit dem Mann erfolglos blieben, stürmten Sondereinheiten der Polizei das Haus und töteten dabei den Angreifer, wie das Innenministerium mitteilte. Die Lebensgefährtin des getöteten Polizisten, Sekretärin in einem nahegelegenen Polizeirevier, wurde tot aufgefunden, mit einer Wunde am Hals. Der dreijährige Sohn des Paars überlebte “unter Schock, aber äußerlich unverletzt”.
Während der Verhandlungen bekannte sich Abballa nach Polizeiangaben zur Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS). Wie aus Ermittlerkreisen verlautete, war der Attentäter bereits wegen Anschlagsplanungen vorbestraft. Abballa sei 2013 wegen Zugehörigkeit zu einem Ableger einer französisch-pakistanischen Dschihad-Gruppe verurteilt worden, hieß es.
Er stand demnach mit sieben anderen Verdächtigen vor Gericht und erhielt eine dreijährige Haftstrafe, von denen sechs Monate auf Bewährung ausgesetzt waren. Der Vorwurf lautete damals, er habe mit der Gruppe “Terroranschläge vorbereiten” wollen.
“Die EM wird ein Friedhof”
Außerdem filmte der Polizistenmörder seinen Angriff mit und postete um 20.52 Uhr ein 13 Minuten langes Video auf Facebook. Er habe dazu den Dienst Facebook Live verwendet, über den Videos live in das soziale Netzwerk gestellt werden können, sagte ein Ermittler.
Er habe “sehr ruhig und lächelnd” eine offenbar zuvor geschriebene Botschaft verlesen, sagte der Experte David Thomson, der das inzwischen gelöschte Video angesehen hatte.
Auf dem unter dem Pseudonym Mohamed Ali veröffentlichten Facebook-Konto habe Abballa zunächst dem Chef der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS), Abu Bakr Al-Bagdadi, seine Treue geschworen und dann andere Muslime zum Dschihad aufgerufen. “Wir werden aus der EM einen Friedhof machen.”
Schließlich fordere er “seine 160 Freunde und noch deutlicher seine Kontakte beim IS zu einem Bekennerschreiben für seinen Angriff auf”. Dies erkläre, warum sich der IS so schnell über sein Sprachrohr Amaq zu der Tat bekannt habe, erklärte Thomson, der zu den sogenannten Facebook-Freunden Abballas gehörte, ohne ihn persönlich gekannt zu haben.
Das Video sei in dem Haus des getöteten Paares aufgenommen worden, während sich dessen Kind noch darin aufgehalten habe. “Er sagt, einen Polizisten und seine Frau getötet zu haben”, sagte Thomson. Dann rufe Abballa auf, “Polizisten, Journalisten, öffentliche Personen, Gefängniswärter und Rapper” anzugreifen und nenne etwa zehn Personen mit Namen.
Hollande verspricht “vollständige Aufklärung”
Staatschef François Hollande sprach von einem “Terrorakt”. Das Paar sei “feige von einem Terroristen ermordet worden”, sagte er nach einem am Dienstagmorgen einberufenen Krisentreffen mit seinen Beratern im Élysée-Palast in Paris. Frankreich stehe einer sehr großen terroristischen Bedrohung gegenüber. “Das gilt aber nicht nur für Frankreich, sagte er unter Verweis auf die Gewalttat von Orlando.
Die Anti-Terror-Abteilung der Pariser Staatsanwaltschaft übernahm noch in der Nacht die Ermittlungen. Im Laufe des Dienstags wurden zwei Personen festgenommen, die dem mutmaßlichen Attentäter nahestehen sollen. Sie stünden “in Verbindung” zu dem Angreifer, verlautete aus Polizeikreisen.
Nach Angaben des französischen Innenministers Bernard Cazeneuve wurden in Frankreich in den vergangenen Wochen mehr als 100 Terrorverdächtige festgenommen. Cazeneuve nannte die Tat in dem Pariser Vorort einen “erbärmlichen Terrorakt” und äußerte sein “unendliches Bedauern” über den Tod des Polizisten und seiner Partnerin. Dem Sondereinsatzteam der Polizei, das die Geiselnahme beendete, bescheinigte er “große Professionalität”.
Sollte sich herausstellen, dass der IS tatsächlich hinter den Angriffen steckt, wäre dies der erste derartige Vorfall seit den November-Attentaten von Paris, bei denen 130 Menschen ums Leben kamen.
IS lobte die Tat
Der IS bezeichnete die Geiselnahme als Tat eines ihrer Aktivisten. Die auf die Auswertung islamistischer Nachrichtenseiten im Internet spezialisierte SITE-Gruppe aus den USA zitierte in der Nacht eine Meldung der IS-nahen Nachrichtenagentur Amaq: “Kämpfer des Islamischen Staats tötet Vizechef der Polizeistation von Les Mureaux und seine Frau mit Stichwaffen nahe Paris.”
Amaq gilt als Sprachrohr des IS. Belege für eine Verbindung des Täters zum IS legte Amaq nicht vor. Über die Agentur hatte sich die Miliz bereits zu dem Anschlag auf einen Nachtklub im US-Bundesstaat Florida in der Nacht zu Sonntag bekannt.
Der IS hatte seine Anhänger zu Anschlägen in Europa und den USA während des Fastenmonats Ramadan aufgerufen. Der Ramadan begann Anfang Juni, nahezu parallel mit der EM.