In einer Schule waren sie seit Jahren nicht mehr. Dagegen kennen die jungen Syrer ihr Flüchtlingslager im Libanon in- und auswendig. Doch jetzt bietet ein deutscher Verein neue Perspektiven. Mona Naggar aus Bar Elias.
Hamzah und Omar sind glücklich. Seit einigen Tagen besuchen sie die “Elektriker-Klasse” in der Bina Handwerkerschule. “Endlich lerne ich einen Beruf und dazu einen den ich mag”, sagt der 17-jährige Hamzah. Omar, 15 Jahre alt, ist gleicher Meinung und ergänzt, dass seine Eltern froh sind: Nun macht er etwas Vernünftiges mit dem er später auch Geld verdienen kann. Beide Jugendliche stammen aus Syrien. Seit ihrer Flucht in das Nachbarland vor einigen Jahren haben sie keine Schule mehr besucht.
Ihab Utham, ebenfalls Flüchtling aus Syrien und Elektriker aus Leidenschaft, ist der Ausbilder der beiden Jungs: “Begeisterung ist die Hauptvoraussetzung für den Besuch unserer Schule.” Uthman meint, dass die berufliche Ausbildung wie sie Bina anbietet, der Realität der Jugendlichen entgegen kommt. “Viele haben die Schule abgebrochen, um zu arbeiten und ihre Familien finanziell zu unterstüzen. Die meisten werden es nicht mehr schaffen, einen Schulabschluss nachzuholen. Aber diese jungen Leute haben eine Chance verdient, um aus ihrem Leben etwas zu machen.”
Nicht alle Schüler, die der junge Ausbilder Utham betreut, mussten die Schule frühzeitig verlassen. Einige absolvieren die Ausbildung zum Elektriker parallel zu ihrer Schule oder Arbeit.
Froh über die neue Perspektive: Omar (links) und Hamzah in den mit deutscher Hilfe gebauten Werkräumen
Im Libanon besucht nur ungefähr die Hälfte der syrischen Flüchtlingskinder bis zum Alter von 17 Jahren eine Schule. Trotz vermehrter Bemühungen der libanesischen Regierung und internationaler Geber. Die Ausbildungssituation der jungen Syrer ab 18 Jahren sieht noch düsterer aus. Mit einem Krisen-Reaktionsplan will die libanesische Regierung das Thema berufliche Qualifizierung in den nächsten drei Jahren umsetzen.
Ehrgeizige Lehrlinge
In Hamzahs und Omars Klassenraum sieht alles neu aus. Die Wände der Werkstatt sind frisch gestrichen. Die Werktische und Werkzeuge sind kaum benutzt. Erst seit einigen Tagen ist die Schule in Betrieb. Bina (arabisch für Aufbau) bietet außer der Ausbildung zum Elektriker sechs weitere Fachrichtungen an, unter anderem Gastronomie, Alten- oder Krankenpflege. In diesen Berufen haben die Absolventen die besten Arbeitschancen.
Rama Al-Tinawi, eine von 10 Trainern bei Bina, leitet die Krankenpflegekurse. Die 21-jährige wollte eigentlich Apothekerin werden. Aber der Krieg in ihrer Heimat durchkreuzte ihre Pläne. Im Libanon machte sie eine Weiterbildung zur Krankenpflegerin. Nun gibt sie das Wissen an ihren Schülerinnen weiter.
“Auffällig bei den Teilnehmerinnen meiner Kurse ist ihr großer Ehrgeiz. Ihre Augen leuchten und sie sind gierig darauf Neues zu lernen. Als wir in den Libanon geflüchtet sind, haben wir alle gedacht, dass wir unsere Zukunft verloren haben. Aber jetzt bietet sich ein neuer Weg für uns.” Amina, die eine Ausbildung zur Krankenpflegerin macht, sagt, dass das, was sie nun lernt, ihr sowohl im Libanon als auch nach ihrer Rückkehr nach Syrien helfen wird: “Das kann ich überall anwenden und ich sammle Erfahrung.”
Fachliche Begleitung aus Deutschland
Die Handwerkerschule, ein schlichter dreistöckiger Bau, liegt in einem ruhigen Stadtteil in Bar Elias, einem Städtchen in der Bekaa Ebene, im östlichen Teil des Libanon. Über den Haupteingang ist ein großes Schild montiert. Neben der libanesischen Fahne ist der Name “Orienthelfer” angebracht. So heißt der deutsche Verein, der die Schule leitet. Auch ein Verweis auf die beruflichen Fortbildungszentren der Bayrischen Wirtschaft ist zu sehen.
Bina wird mit Geld und Knowhow aus Deutschland unterstützt, genauer aus Bayern. Der Freistaat hofft, damit Perspektiven für Flüchtlinge in ihrer Heimat zu schaffen und somit eine Flucht nach Europa weniger attraktiv zu machen.
In der Ferne sieht man die schneebedeckten Berge des Anti-Libanon-Gebirges. Bis zur syrischen Grenze sind es zwölf Kilometer. In Bar Elias leben ungefähr 50 000 Libanesen und noch mal soviele Syrer. Laut UNHCR, dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen, haben sich in der wirtschaftlich schwachen Bekaa-Ebene rund 350 000 Syrer niedergelassen. Das sind etwa 35 Prozent der im Libanon registrierten Flüchtlinge aus dem Nachbarland.
Noch sind alle 60 Schüler in der Bina Handwerkerschule Syrer, aber der Verein Orienthelfer hofft, bald auch Libanesen aufnehmen zu können.