Deutschland ist nach der Türkei weltweit das Land mit den meisten Flüchtlingen. Zum 30. April 2016 lebten bei uns etwa 1,8 Millionen. Diese schockierende Zahl hat es aber nicht bis zum UN-Flüchtlingshilfswerk geschafft.
Dort wurde am Montag die neue Statistik vorgestellt. Und die Welt wunderte sich: Warum ist Deutschland nicht in den Top 10 vertreten? Es hat doch alle Notleidenden dieser Welt eingeladen. Offiziell beträgt die Flüchtlingsbevölkerung bei uns nur 316 000. Die Zahl ist aber nicht das Papier wert, auf dem sie steht.
Nach Recherchen der Welt rechnete sich Deutschland vor dem UN-Flüchtlingswerk künstlich arm. Die Regierung griff dabei tief in die statistische Trickkiste: Sie gab nur Flüchtlinge an, deren Asylverfahren abgeschlossen ist. Wer bei uns nicht abgearbeitet ist, der existiert eben nicht (Herr Schäuble, was rauchen Sie eigentlich?).
Über Merkels Zahlenwitz konnten aber auch unsere Behörden nur noch lachen: Nach dem Easy-Registrierungssystem der Bundesländer waren im Dezember 2015 bereits 1,1 Millionen Flüchtlinge gespeichert. Korrekterweise hätte Deutschland melden müssen: »Keine Ahnung, wie viele Flüchtlinge wir überhaupt haben. Die Bundesregierung kommt mit dem Bearbeiten der Asylanträge nicht mehr hinterher. Hier spazieren außerdem noch Hunderttausende durch das Land, die sich jeder Erfassung entziehen.«
Die Regierung Merkel meldete also ihren behördlichen Ist-Stand mit etwa 300 000 abgearbeiteten Flüchtlingen weiter (Deutsche lehnen Merkels Deal mit der Türkei ab – Nur zehn Prozent der Flüchtlinge qualifiziert). Nie war eine Zahl weiter von der Wirklichkeit entfernt: Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) schätzt, dass bei uns 1,5 Millionen Menschen mit laufenden oderabgeschlossenen Asylverfahren leben.
Dazu kommen weitere 300 000, die zwar registriert sind – laut BAMF aber noch immer keinen Asylantrag gestellt haben. Macht 1,8 Millionen – doch auch diese Zahl ist mit Vorsicht zu genießen. Statistiker können über die Untergetauchten nur rätseln (Vereinte Nationen fordern Bevölkerungsaustausch von Deutschland).
Die haben ihren Aufenthalt nie angemeldet, nie Sozialleistungen beantragt und sind bei keiner Polizeikontrolle aufgefallen. Bereits vor dem großen Flüchtlingsansturm schätzte Migrationsforscherin Dita Vogel von der Universität Bremen: Es gibt bis zu 520 000 »irregulär aufhältige« Ausländer in Deutschland
Das war 2014. Inzwischen dürfte diese Zahl weit höher liegen. Eine weitere unbekannte Größe sind die laut Statistik »freiwillig ausgereisten« Ausländer. Wilhelm Hinners, innenpolitischer Sprecher der Bremer CDU, bemerkte dazu: »Es ist nicht auszuschließen, dass viele dieser als ausgereist erfassten Personen unter anderer Identität Asyl beantragen oder untertauchen.«
All das stellt auch unsere Langzeitstatistiken auf den Kopf. Laut denen leben 9,1 Millionen Ausländer und 9,2 Millionen Deutsche mit ausländischen Wurzeln im Land (Blamage für Merkel: West-Mächte lehnen Aufnahme von Flüchtlingen ab).
Bei den unter Fünfjährigen stellen Migranten inzwischen etwa ein Drittel der Bevölkerung. Diese Statistiken müssen in nächster Zeit gehörig nach oben korrigiert werden (Imperialismus: UNO will sechs Millionen Flüchtlinge pro Jahr umsiedeln).
Warum mogelte sich die Bundesregierung aber aus der Statistik des UN-Flüchtlingshilfswerks? Weil es wahrlich kein Ruhmesblatt ist, dass Deutschland jetzt zu den Flüchtlingslagern dieser Welt gehört. Schauen Sie sich nur an, mit wem wir in der Weltrangliste für Flüchtlinge konkurrieren:Uganda, Kongo, Kenia, der Libanon, der Tschad, Dschibuti, der Südsudan und Nauru
Lauter gescheiterte Staaten. Rechnet man unsere immer noch optimistisch geschätzten 1,8 Millionen Flüchtlinge in die offizielle UN-Statistik, dann liegt Deutschland absolut auf Platz zwei. Hinter der Türkei (2,7 Millionen), aber weit vor Pakistan (1,6 Millionen) und dem Libanon (1,1 Millionen).
Beim Anteil gemessen an der Bevölkerung liegen wir mit den realen Zahlen auf dem sechsten Rang. Auf 1000 Einwohner kommen 22 Flüchtlinge. Diese Statistik sollte uns zu denken geben. Auf Platz fünf liegt der Tschad (26 von 1000), auf Platz sieben Dschibuti (22 von 1000). Übrigens: Wir sind das einzige Land Europas, das es in die Flüchtlings-Top-10 der UN geschafft hat.