Syrien bis zum Südsudan: Blutige Konflikte vertreiben immer mehr Menschen
Die UN beklagen einen neuen traurigen Rekord – und das Abnehmen der Hilfsbereitschaft
Mehr als 65 Millionen Menschen auf der Flucht: Blutige Konflikte und brutale Verfolgung in etlichen Ländern haben mehr Kinder, Frauen und Männer als je zuvor aus ihren Heimatorten vertrieben. Jeder 113.
Erdenbewohner sei davon inzwischen direkt betroffen, beklagt der Weltbericht 2015 des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR).
Damit habe die Gesamtzahl der Flüchtlinge, Binnenvertriebenen und Asylsuchenden “ein trauriges Rekordniveau” erreicht, heißt es in der zum Weltflüchtlingstag am Montag vorgelegten Studie.
Pro Minute werden 24 Menschen irgendwo auf der Welt entwurzelt
“Während im Jahr 2005 durchschnittlich sechs Menschen pro Minute entwurzelt wurden, sind es heute 24 pro Minute – das sind statistisch zwei Menschen pro Atemzug”, heißt es in dem UN-Bericht.
Zugleich hätten sich die Gefahren auf den Fluchtrouten vervielfacht, erklärte der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, Filippo Grandi. “Auf dem Meer verlieren erschreckend viele Menschen ihr Leben, der Landweg ist durch geschlossene Grenzen zunehmend blockiert und in manchen Ländern wird gegen Asyl politisch Stimmung gemacht.”
Zudem sinke die Bereitschaft von Staaten, sich der Flüchtlingskrise zu stellen und “im gemeinsamen Interesse der Menschlichkeit” für deren Bewältigung zusammenzuarbeiten, bedauerte Grandi. “Dabei ist es genau dieser einende Geist, der so dringend gebraucht wird.”
Erstmals wurde 2015 die 60-Millionen-Marke überschritten
Zum ersten Mal seit Bestehen des UNHCR sei durch den Anstieg der Flüchtlingszahlen auf insgesamt 65,3 Millionen Menschen bis Ende 2015 die “60-Millionen-Marke” überschritten worden.
“Insgesamt ist die globale Zahl der Menschen auf der Flucht in etwa so groß wie die Einwohnerzahlen von Großbritannien, Frankreich oder Italien.”
21,3 Millionen Flüchtlinge hielten sich dem UN-Bericht zufolge Ende 2015 in fremden Ländern auf. 40,8 Millionen seien Vertriebene innerhalb ihrer Heimatstaaten. Weitere 3,2 Millionen warteten im Ausland auf Entscheidungen über ihre Asylanträge – der höchste bisher von UNHCR verzeichnete Stand.
Laut UNHCR ist etwa die Hälfte der Flüchtlinge jünger als 18 Jahre. Besonders beunruhigend sei die hohe Zahl an Kindern, die allein reisten oder von ihren Eltern getrennt waren.
Nirgendwo sonst als in Deutschland wurden mehr Asylanträge gestellt
98.400 Asylanträge seien von unbegleiteten Kindern gestellt worden. Die Bearbeitung von Asylanträgen sei aufgrund der hohen Flüchtlingszahlen stark verzögert. Dabei wurden allein in Deutschland 441.900 Asylanträge und damit mehr als in jedem anderen Land der Welt gestellt.
“Das ist vor allem auf die Bereitschaft Deutschlands zurückzuführen, Flüchtlinge aufzunehmen, die 2015 über das Mittelmeer nach Europa kamen”, erklärte das UNHCR. Die USA hätten die zweithöchste Zahl von Asylanträgen verzeichnet (172.700). Viele Menschen, die dort Asyl beantragten, seien vor der Bandenkriminalität in Zentralamerika geflohen.
Auch in Schweden (156.000) und Russland (152.500) seien vergleichsweise viele Asylanträge registriert worden.
Das weltweit größte Aufnahmeland ist weiterhin die Türkei mit derzeit 2,5 Millionen Flüchtlingen. Insgesamt halten sich die weitaus meisten Flüchtlinge in Ländern außerhalb Europas auf: 86 Prozent der vom UNHCR betreuten Menschen haben in Staaten mit niedrigem bis mittlerem Einkommen Schutz gesucht.
Im Verhältnis zur Bevölkerungszahl hat der Libanon am meisten Flüchtlinge aufgenommen
Dabei hat der Libanon mit 183 Flüchtlingen auf 1000 Einwohner im Verhältnis zu seiner Bevölkerungszahl mehr Flüchtlinge aufgenommen als jeder andere Staat.
Seit Mitte der 1990er Jahre haben laut UNHCR Flucht und Vertreibung stetig zugenommen, jedoch seien die Zahlen in den vergangenen fünf Jahren “rasant nach oben geschnellt”.
Zu den Hauptgründen gehört der Syrien-Krieg. Jedoch trieben auch etliche andere Konflikte Hunderttausende von Menschen in die Flucht, unter anderem im Südsudan, im Jemen, in Burundi, der Ukraine und der Zentralafrikanischen Republik.