Flüchtlingshelfer rettet seine eigene Familie aus dem Mittelmeer

Vor 18 Jahren war Ghias Aljundi selbst ein Flüchtling. Damals verließ er Syrien und fand in Großbritannien eine neue Heimat. Jetzt ist er einer von tausenden freiwilligen Helfern, die an der Küste Griechenlands ankommende Flüchtlingsboote empfangen.

Als er im Dezember des vergangenen Jahres auf der griechischen Insel Lesbos im Einsatz war, rettete er eine Gruppe von Menschen aus den Fluten, die ihm sehr am Herzen lag: seine eigene Familie. Erst jetzt teilte er diese unglaubliche Geschichte auf der Website von Amnesty International mit der Welt.

Flucht aus Syrien nach Gefängnis und Folter

Aljundi floh bereits 1999 aus Syrien. Zuvor hatte er in Tartus gelebt und als Journalist gearbeitet. Wegen seines Einsatzes für Menschenrechte verbrachte er vier Jahre im syrischen Gefängnis – und wurde gefoltert. Er floh danach Hals über Kopf nach Europa – sein Bruder Safi blieb in Syrien.

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Safi betrieb einen Mobiltelefon-Shop in Tartus, der im letzten Jahr unter Beschuss geriet. Er beschloss, dass Syrien zu gefährlich geworden war – außerdem sollte sein Sohn Mazin zum Militär einberufen werden. Über den Libanon und die Türkei floh die Familie nach Europa.

Aljundi, der als Helfer wusste, wie gefährlich die Überfahrt mit den Schlauchbooten über das Mittelmeer ist, wollte mit aller Kraft verhindern, dass die Familie des Bruders diesen Weg wählt. Doch deren Entscheidung stand fest.

Die meisten Rettungsjacken sind nicht echt

Er riet ihnen, nicht nachts zu fahren, Regenjacken zu tragen, Plastiktüten um ihre Schuhe zu wickeln und warnte sie, dass sie meisten Rettungswesten nicht echt waren.

Die Überfahrt von der türkischen Küste nach Lesbos dauert eine Stunde und 50 Minuten. Als Aljundi ein Boot ankommen sah, hoffte er, dass es jenes seines Bruders war.

Er rutschte auf dem Rücken hinunter, seine Hände waren voller Dornen und Blut. “Ich half ganz vielen Kindern aus dem Boot, eine davon war meine dreijährige Nichte Sirin – das wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht”, schreibt er auf Amnesty International.

Und er erkannte seinen Bruder, den er zu diesem Zeitpunkt seit 18 Jahren nicht gesehen hatte. Seine Schwägerin weinte. Sie war schwanger und hatte Angst, dass ihrem Baby etwas zugestoßen sein könnte, weil im Boot so viele Menschen auf ihren Bauch getreten waren. “Meine Kollegen, die Ärzte sind, checkten ihren Bauch und fanden einen Herzschlag”, schreibt Aljundi.

Seit 2000 ertranken mindestens 23.000 Flüchtlinge im Mittelmeer

Die Familie seines Bruders reiste später weiter Deutschland, wo sie jetzt lebt. Alle Familienmitglieder lernen zurzeit Deutsch, das Baby ist mittlerweile gesund zur Welt gekommen und die dreijährige Nichte des Flüchtlingshelfers soll bald einen Kindergarten-Platz bekommen.

“So viele Menschen, die ich getroffen habe, haben mir erzählt, dass sie niemanden in Europa zur Last fallen würden, wenn Syrien nicht bombardiert werden würde. Flucht ist der einzige Weg, um zu überleben”, schreibt er.

2015 kamen laut der Grenzschutzbehörde Frontex allein von der Türkei aus rund 88.500 Flüchtlinge über das Mittelmeer nach Europa. Seit dem Jahr 2000 ertranken mindestens 23.000 Menschen bei dem Versuch, nach Europa zu gelangen.