Zedern für den Pharao

Im Norden des Libanon haben österreichische Archäologen eine Festung aus der Bronzezeit entdeckt. Diese war ein wichtiger Handelsplatz beim Export der Zedern nach Ägypten

Den Phöniziern galt sie als Königin der Pflanzen, und den heutigen Bewohnern des Libanon ist sie ein Symbol für Frieden und die Einheit des Landes und ziert die Flagge des Levante-Staates: Cedrus libani, die Libanon-Zeder.

Schon vor Jahrtausenden war ihr Holz ein begehrter Rohstoff, der über weite Strecken transportiert wurde. Durch die exzessive Verwendung als Baumaterial und für den Schiffsbau sind die einstigen Verbreitungsgebiete auf kleine Restbestände geschrumpft.

Ein neues Projekt des Instituts für Orientalische und Europäische Archäologie (OREA) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) widmet sich nun der Erforschung eines Zedern-Handelsplatzes in der Region um die Stadt Chekka im Norden des Libanon. Das vierjährige Projekt “Zwischen Meer und Land: Die Chekka-Region” wurde erfolgreich beim Wissenschaftsfonds FWF eingereicht, als Kooperationspartner wurde der deutsche Archäologe Hermann Genz von der American University of Beirut gewonnen.

Projektleiterin Karin Kopetzky war seit 1988 an den Ausgrabungen der Hyksos-Hauptstadt Auaris nahe der nordägyptischen Stadt Tell el-Dab’a beteiligt. Hier hat sie sich, bis 2009 unter der langjährigen Leitung des österreichischen Ägyptologen Manfred Bietak, intensiv mit der gefundenen Keramik beschäftigt – diese wurde zum Großteil aus der Levante importiert. Dies ist für Kopetzky ein Anreiz, sich die Herkunftsregion genauer anzusehen.

Siedlung im weißen Fleck

Im Juli 2016 entdeckte die Archäologin an der Küste zwischen Beirut und Tripolis in Tell Mirhan einen antiken Siedlungshügel. Die Untersuchungen ergaben Belege für eine durchgängige Besiedlungshistorie vom vierten Jahrtausend an. Während der mittleren Bronzezeit wurde hier vor etwa 3700 Jahren eine massive Befestigungsanlage errichtet – eine durch den Hügel führende Straße legt die Mauer im Querschnitt frei. Die gefundenen Keramiken belegen intensive Kontakte zu großen Teilen des östlichen Mittelmeeres: Hier befand sich offensichtlich ein bedeutender Handelsplatz. Der Handel Ägyptens mit der Levante hat eine weit zurückreichende Geschichte. Schon im Alten Reich wurde Zedernholz aus dem Libanon benutzt. So wurden bei der Errichtung der Pyramiden Pharao Snofrus vor 4600 Jahren Balken aus dem Libanon verbaut. Vor den Tempeln der Ägypter fanden die langen gerade Stämme Verwendung als Flaggenmaste.

Das Küstengebiet um den Tell Mirhan und sein Hinterland sind jedoch aus archäologischer Sicht ein weißer Fleck auf der Landkarte. Durch den bis 1990 dauernden Bürgerkrieg im Libanon stand die archäologische Forschung in dem Land weitgehend still. Die historischen Stätten sind jedoch durch Bautätigkeiten stark bedroht. Auch vom Tell Mirhan ist nur noch ein kleiner Teil der ursprünglichen Ausdehnung der Anlage vorhanden, wie Luftbilder aus den 1950er-Jahren zeigen. Der überwiegende Teil verschwand unter Industriebetrieben. Kopetzky spricht daher in dem Zusammenhang von einer “Rettungsgrabung”: Ihr Survey ergab, dass die Archäologen fast überall in der Gegend schon zu spät kommen. Der Fundort am Tell Mirhan ist auch bedeutend, da hier die Möglichkeit besteht, eine ungestörte Stratigrafie der Fundschichten zu erstellen. Bei früheren Grabungen in der Region wurde nicht auf die Stratigrafie geachtet. So gingen wertvolle Informationen über die Besiedlungsgeschichte verloren. Der Tell Mirhan kann also wertvolle Antworten liefern.

Umweltbedingungen

Mit mikrostratigrafischen Methoden will Kopetzky dem Hügel Informationen zu seinen einstigen Bewohnern entlocken. Wie lange wurde an der Befestigungsanlage gebaut, und wie viele Menschen waren daran beteiligt? Auch Fragen der Paläoökologie sollen geklärt werden. Wie waren die Umweltbedingungen in der Bronzezeit, und wie weit reichten die Nadelwälder noch an die Küste? Und über welche Anbauflächen verfügten die Menschen? Wenn bei den Untersuchungen Getreidekörner gefunden werden, gilt es herauszufinden, ob diese lokal produziert oder eventuell aus Ägypten importiert wurden. Aufschluss über die Herkunft gibt die Isotopenanalyse, die auch bei der Analyse von Tierknochen Anwendung finden wird.

Kopetzky leitet nicht nur das erste österreichische Grabungsteam im Libanon, erstmals soll im vorderen Orient für archäologische Zwecke mit Lidar (Light detection and ranging) ein Laserscan aus der Luft durchgeführt werden. Damit wird die von Olivenplantagen und Gestrüpp verborgene Geländestruktur sichtbar gemacht. Die Forscher wollen so anhand der Schleifspuren herausfinden, über welche Wege und durch welche Wadis vor Jahrtausenden die Zedern für den Export an die Küste gebracht wurden, wo die Königinnen der Pflanzen von den Ägyptern auf ihre Schiffe verladen wurden. (Michael Vosatka, 2.4.2018)