Papst berät mit Libanons Präsidenten über Lage in Nahost

Libanons Präsident Michel Aoun war an diesem Donnerstag in Audienz bei Papst Franziskus. Für den Präsidenten war es der erste Besuch in Europa nach seinem Amtsantritt im vergangenen November, die eine zweieinhalbjährige Vakanz im wichtigsten Amt des Staates beendet hatte.

Thema des zwanzigminütigen Gesprächs war nach Vatikan-Angaben unter anderem das Nachbarland Syrien, wo der blutige Bürgerkrieg seit sechs Jahren andauert. Aoun sprach mit dem Papst über die internationalen Bemühungen zur politischen Beilegung des Konflikts, wie aus der Mitteilung des vatikanischen Pressesaals hervorgeht. Ausdrücklich gewürdigt wurde bei der Audienz die Aufnahmebereitschaft des Libanon für syrische Flüchtlinge. Der Krieg trieb nach vorsichtigen Schätzungen rund 1,5 Millionen Menschen aus Syrien in den Libanon, der selbst nur 4,5 Millionen Einwohner zählt. Über die Lage im gesamten Nahen Osten und über die Lage der Christen dort sprachen Aoun und der Papst ausführlich.

Im Libanon hat die Kirche eine „historische und institutionelle Rolle“, wie es in dem Vatikan-Statement weiter heißt. Das politische System im Libanon beruht seit der Unabhängigkeit 1943 auf einer Aufteilung der Macht unter den verschiedenen konfessionellen Gruppen des Landes. Der Staatspräsident ist jeweils ein maronitischer Christ, im Parlament sind Muslime und Christen mit je 64 Sitzen vertreten.

Ein christlicher Staatschef im Nahen Osten

Libanesischen Medien zufolge versprach Franziskus einen Besuch im Libanon. Er bete immer für dieses Land, zitierte ihn der libanesische Fernsehsender MTV. Aoun, der von seiner Ehefrau sowie einer umfangreichen Delegation begleitet wurde, ist der einzige Christ an der Spitze eines arabischen Landes.

Die Libanesen sind dankbar, dass sie nach zweieinhalb Jahren politischer Krise wieder einen regulären Präsidenten haben, sagte im Gespräch mit Radio Vatikan der in Rom stationierte libanesische Fundamentaltheologe und maronitische Ordensmann Charbel Bteisch. „Präsident Aoun ist seit langer Zeit ein Vorbild im Libanon. Obwohl man in der Geschichte verschiedene Probleme und Kriege hatte, findet man in ihm heute ein Symbol der Einheit, der möglichen Einheit im Libanon dank seiner Verbindungen mit den verschiedenen Komponenten des Landes.“ Aoun habe gute Kontakte sowohl zu Schiiten wie auch zu Sunniten, erklärt Bteisch. „Sein erster Besuch in den arabischen Ländern war in Saudi-Arabien. So konnte er eine Brücke bauen zwischen den beiden heutigen Komponenten, die in der islamischen Welt streiten, also Schiiten und Sunniten. Hier sieht man die wichtige Rolle der Christen, diesen Konflikt zu lösen, auch dank der wichtigen Rolle des Präsidenten Aoun, der Freunde auf beiden Seiten hat.“

Die Brücke Libanon

Als einziges Land in der Region weist der Libanon neben seiner muslimischen Bevölkerungsmehrheit einen hohen Prozentsatz an christlichen Bürgern auf, rund 40 Prozent. Da das Zusammenleben im Großen und Ganzen funktioniert, sehen die Libanesen selbst ihr Land als gelebtes Beispiel für den Frieden in der Vielfalt, unterstreicht der maronitische Ordensmann. Auch die Päpste hätten diese Rolle gewürdigt. Der Libanon, das ist nicht nur ein Land, sondern eine Botschaft, erklärte seinerzeit Papst Johannes Paul II. „Es ist ein delikates Gleichgewicht“, so Bteisch, „aber es hält. Die Position des Libanons ist die einer Brücke zwischen Orient und Okzident. Das macht aus dem Libanon einen Ort, wo alle hinkommen können und Sicherheit finden.“ Freilich stelle die große Zahl der Flüchtlinge aus Syrien den kleinen Libanon vor ungeahnte Herausforderungen. „Das ist ein enormes Gewicht für den Libanon, wirtschaftlich und für die Sicherheit. Wir haben Probleme mit der Regierung und mit Korruption, auch politische Probleme, es ist eine Krise breiter Art.“

Von Papst Franziskus erhoffen sich die Libanesen, dass er die Welt dazu drängt, die Brückenfunktion des Libanon anzuerkennen, aber auch seine Schutzfunktion für die Christen im Nahen Osten. Denn: „Wenn der Libanon diese Rolle verliert, wird die ganze Welt verlieren.“

(rv 16.03.2017 gs)