Nach 10 Jahren waren sich Mutter und Tochter fremd

Fast zehn Jahre kämpfte Ulrike N. (38) um ihre kleine Tochter Rana (Name geändert), die ihr Ex-Mann in den Libanon entführt hatte. Als sie das Mädchen endlich wieder in die Arme schließen konnte, war es zu spät. Mutter und Tochter waren sich zu fremd geworden. Die Hausfrau: „Sie wollte zurück zu ihrem Vater. Und ich will, dass sie glücklich ist.“
Berlin – Auch der Prozess vor dem Amtsgericht gegen Mohamad N. (43) wegen Kindesentziehung kann daran nichts mehr ändern. Aber er kann ein Stück Gerechtigkeit zurückbringen.

Es fiel Ulrike N. sichtlich schwer, dem Mann, der ihr die Tochter nahm, hier zu begegnen. Sie vermied jeden Kontakt vor dem Saal, zuckte zusammen, beim Aufruf zur Sache.
„Sie hätte Rana ja sehen können, wenn sie gewollt hätte“, behauptet ihr Ex-Mann (seit einem Monat geschieden) auf der Anklagebank. „Sie wollte ja nicht.“
► Sieben Jahre hielt die Beziehung zwischen den beiden. Dann wollte Ulrike N. nicht mehr. Sie legte das Kopftuch ab, trennte sich von ihm. Als er sie im Juni 2006 bat, mit der Tochter (damals 3) in seine Heimat fliegen zu dürfen, sagte sie trotzdem „ja“. Schließlich wollte sein schwerkranker Vater die Kleine noch einmal sehen.

Ulrike N.: „Drei Wochen wollten sie bleiben.“ Mohamad N.: „Dann brach der Krieg aus. Der Flughafen war gesperrt.“ Rana blieb im Libanon. Sie ging dort zur Schule.
Ulrike N.: „Ich habe 1000 Mal dort angerufen. Angeblich war sie immer dann nicht zu Hause.“ Irgendwann habe ihr Ex schließlich verkündet: „Rana kommt gar nicht mehr zu dir. Weil du mich verlassen hast.“
Die Mutter erstattete Anzeige gegen den Entführer. Doch der war im Libanon sicher. Und sie lebte ihr Leben in Berlin, ging eine neue Beziehung ein, wurde schwanger. Der Kampf um Rana trat in den Hintergrund …
Bis zum Oktober 2015, als Mohamad N. zurück nach Deutschland wollte. Ulrike N. voller Traurigkeit: „Als Rana aus dem Flieger stieg hat sie mich nicht mal angeschaut, kein Wort mit mir geredet.“
Sie wollte auch nicht mit zu ihr und den Halbgeschwistern nach Hause. Die Mutter war eine Fremde für sie. Und sie blieb es. Rana wollte bei ihrem Vater bleiben. Ulrike N.: „Auch, weil die Familie meines Ex-Mannes kein gutes Haar an mir ließ. Man hat mir die Chance mit meiner Tochter nie gelassen.“
Rana geht in Berlin inzwischen in eine Begrüßungsklasse, um ihre Muttersprache zu lernen. Und sie lebt beim Vater.
► Das Gericht verurteilte Mohamad N. zu zweieinhalb Jahren Haft: „Sie haben ein kleines Kind abrupt aus seinem gewohnten Leben gerissen, es in ein ihm fremdes Land verschleppt. Auch die Rückkehr war wieder eine Traumatisierung. Deren Folgen haben Sie zu verantworten. Mohamad N. ist gegen das Urteil in Berufung gegangen.