Europa fordert mehr Solidarität

Zu Beginn des G7-Gipfels in Japan hat EU-Ratspräsident Tusk von der internationalen Gemeinschaft mehr Unterstützung in der Flüchtlingskrise gefordert. Unter anderem verlangte er höhere Finanzzusagen auch für Länder wie die Türkei, Jordanien und den Libanon

Schöne, harmonische Bilder schaffen – eine Kunst, auf die man sich in Japan versteht, und die sich die Politik gerne zunutze macht. Schließlich ist eine mediengerechte Optik für einen gelungenen G7-Gipfel mindestens so wichtig wie die Themen, über die die Staats- und Regierungschefs knapp zwei Tage lang in zwangloser Atmosphäre diskutieren. Hinzu kommt, dass anders als sonst üblich, kaum Demonstrationen zu erwarten sind.

Kaum Proteste zu erwarten
“Proteste der Zivilgesellschaft, wie in anderen Ländern, sehen wir in Japan kaum”, erklärt Simon Wright, von der Organisation “Save the Children”. Trotzdem ist die Regierung sehr nervös gewesen. In der Vorbereitung hat sie viele Gespräche mit den sogenannten NGOs geführt, um auf Nummer sicher zu gehen. Das ist auch für Japan ein politischer Moment, und man möchte, dass alles glatt läuft.

Auftakt vor malerischer Kulisse

Die Chancen, dass sich diese Hoffnung erfüllt, stehen gut. Trotzdem sind über 20.000 Polizisten im Einsatz, um für einen reibungslosen und sicheren Ablauf zu sorgen. Wie Kanzlerin Merkel 2015, mit dem bayerischen Elmau, hat auch Premierminister Shinzo Abe, eine besondere Kulisse ausgesucht, um sich und sein Land zu präsentieren: Ise-Shima, ein Naturschutzgebiet an der Pazifikküste, mit grünen Hügeln und malerischen Buchten, ist nicht nur landschaftlich reizvoll, hier steht auch eines der bedeutendsten Heiligtümer Japans: der jahrhundertealte “Ise-Jingu”, der Schrein der Shinto-Göttin Amaterasú. Ein Ort von großer Symbolkraft für das traditionsbewusste Land – spirituell, aber auch politisch und historisch. Hier, wo man laut Abe am besten mit “Japans Seele” in Berührung kommen kann, hieß der Premier seine Gäste willkommen.

Ise-Shima, das japanische Elmau

Nach einem kurzen Spaziergang durch den Park am Isuzu-Fluss, dem rituellen Pflanzen eines Baumes und dem Besuch der berühmten Tempelanlage widmen sich die sieben Mächtigen dem inhaltlichen Teil ihrer Begegnung. Die Liste der Themen, über die bis morgen Mittag Ortszeit beraten wird, ist lang. “Länger als jemals zuvor”, wie Premier Abe im Brustton des stolzen Gastgebers betont.

Weltwirtschaft im Fokus
Ganz so harmonisch wie der Empfang am Morgen dürfte es bei den Arbeitssitzungen im “Shima-Kanko”-Hotel, einem Luxus-Resort auf der streng abgeschirmten Halbinsel Kashikojima, allerdings nicht zugehen. Der mit der lahmenden Konjunktur, einem zu starken Yen und einer gigantischen Staatsverschuldung kämpfende Abe will die Lage der Weltwirtschaft ins Zentrum der Gespräche rücken. Der Premier hofft auf eine “klare und starke Botschaft”, wie er sagt, dass die G7 bereit seien, zu einem nachhaltigen und kraftvollen Wachstum beizutragen.

Gerne sähe er ein gemeinsames Gegensteuern in Form staatlicher Konjunkturprogramme nach Art seiner umstrittenen “Abenomics”. Dies jedoch lehnen vor allem Kanzlerin Merkel und der britische Premier Cameron ab. Erwartet wird, dass man sich stattdessen auf eine “Dreiklang” aus Investitionen, Strukturreformen und einer soliden Haushalts- und Währungspolitik verständigt. Die richtige Mischung soll jedes G7-Mitglied selbst bestimmen.

Herausforderungen in Außen- und Sicherheitspolitik
Auf der Agenda stehen aber auch eine ganze Reihe aktueller außen- und sicherheitspolitischer Konflikte. Von Syrien bis zur Ukraine, von der Flüchtlingskrise bis zum Kampf gegen die Terrormiliz IS. Auf diesem Feld sind es die leidgeprüften Europäer, die sich mehr Solidarität von den Partnern in Amerika und Asien wünschen. Oder, wie es EU-Ratspräsident Tusk ausdrückte:

Sehr viel Konkreteres als solche Bekenntnisse zu westlichen Werten und einer auf Regeln gegründeten Weltordnung, wird es in Ise-Shima wohl nicht geben, sagen Beobachter voraus. Verabschieden wollen die G7 lediglich einen “Aktionsplan” gegen Terrorismus, der mehr Datenaustausch und eine strengere Kontrolle illegaler Finanzströme bringen soll. An eine Rückkehr Russlands in den exklusiven Kreis der führenden Industrienationen ist vorerst nicht gedacht.

Obama in Hiroshima
Der eigentliche Höhepunkt steht erst nach Abschluss dieses G7-Gipfels in Japan auf dem Programm. Dann reist der scheidende US-Präsident Obama zusammen mit Premier Abe nach Hiroshima weiter. Am Schauplatz des ersten Atombomben-Abwurfs der Geschichte, vor bald 71 Jahren, will er der Opfer gedenken und eine kurze Rede halten. Hier dürfte weniger die Macht der Bilder als die der Worte eine Rolle spielen.