Designerin :Racil Chalhoub :Ein Smoking gibt einer Frau Macht

Marlene Dietrich trug ihn und Yves Saint Laurent erfand ihn neu: den Smoking für Frauen. Designerin Racil Chalhoub spricht über ein besonderes Kleidungsstück und die Macht, die es verleiht.

Racil Chalhoub, Sie entwerfen seit 2015 in London Smokings für Frauen

Es ist komisch, das so zu sagen, und vielleicht stimmt es auch gar nicht, aber ein Smoking gibt mir ein besonderes Selbstbewusstsein. In einer Welt, die noch immer männlich dominiert ist, gibt er mir das Gefühl, genau so gut zu sein wie sie. Ich bin dann auf Augenhöhe, wenn ich in einen Raum voller Männer komme.

Geht es dabei auch um Macht?

Um viel mehr! Ein Smoking gibt einer Frau Macht, weil sie ein wundervolles Kleidungsstück trägt, das scharf geschnitten ist und gleichzeitig elegant und schön. Man hat ein bestimmtes Auftreten und strahlt Präsenz aus. Aber er schenkt auch deshalb Selbstvertrauen, weil er einfach bequem ist. Die meisten Frauen entscheiden sich bei besonderen Anlässen meistens noch für ein Kleid. Deswegen sticht man mit einem Anzug aus der Masse. Und wird er richtig getragen, kann er sehr feminin sein.

Dennoch steht ein Smoking für Maskulinität, für Frauen ist er immer noch etwas Besonderes.

Ein ikonisches Kleidungsstück. Es ist das Schönste, was ein Mann tragen kann – und eine Frau. Marlene Dietrich hat ihn getragen, Yves Saint Laurent hat ihn 1966 neu erfunden und die Frau damit quasi befreit. Für mich bedeutet ein Smoking perfekte Schneiderkunst und schöne Details. Natürlich geht es auch um die Freiheit des Ausdrucks, dass man nicht eingeschränkt wird. Ich trage fast immer ein Smoking-Jackett, weil ich es tagsüber zu T-Shirt und Turnschuhen tragen kann, abends mit High-Heels und einem Kleid. Und wenn es schick sein soll, mit ein paar Accessoires. Er passt einfach immer.

Wie sind Sie dazu gekommen, Smokings zu entwerfen?

Ich wusste schon als Kind, dass ich irgendwann meine eigenen Sachen entwerfen will. Nach dem Modedesign- und Marketing-Studium in London bin ich nach Beirut zurückgegangen, um mit einer Freundin den Concept-Store Kitsch zu eröffnen. Nach acht Jahren als Einkäuferin für den Laden dachte ich, dass es mal Zeit wäre für meine eigene Linie, und fing an Kollektionen zu entwerfen. Ich verwarf alle, weil ich nicht überzeugt war. Im Urlaub blätterte ich in Magazinen und dachte: “Ich will einen wirklich schönen Smoking!” Und ich fand keinen. Ich wusste nicht mal, wo ich nach einem Smoking suchen sollte, der gut sitzt und zeitgemäß aussieht. Zugleich verschlechterte sich die wirtschaftliche Lage in Beirut. Als unser Vermieter die Miete erhöhte, konnten wir Kitsch nicht mehr weiterführen. Also ging ich 2014 nach London, um eine Smoking-Kollektion unter meinem Namen und dem meiner Mutter herauszubringen: Racil.

Ist man als Designerin nicht eingeschränkt, wenn man sich nur auf ein Kleidungsstück konzentriert?

Innerhalb der Formvorgaben habe ich viele Freiheiten. Oft sitzen Smokings nicht gut und kommen altmodisch daher. Also spiele ich viel mit Farben, Materialien und Details an Knöpfen, Taschen und Revers. Letzte Saison habe ich zum Beispiel himmelblaue Anzüge mit grünem Revers und rosafarbene Anzüge mit gelbem Revers gemacht. Wenn mir danach ist, mache ich einen Brokatanzug mit Samt-Details und Stickereien. Und wir ergänzen die Kollektion um Dinner-Jacketts, Abendmäntel, T-Shirts und Kleider, die zum Smoking passen.

Welche Frauen sehen Sie in Ihren Entwürfen?

Starke Frauen aus dem Leben. Und zeitlose Ikonen: Bianca Jagger, weil sie Anzüge und Kleider lässig getragen hat, und meine Mutter, die eleganteste Frau, die ich kenne. Kurz nach meiner Geburt in Beirut sind wir nach Paris ausgewandert, als der Krieg gerade ausgebrochen war.

Sie konnte nicht arbeiten, weil wir nicht wussten, wann wir zurückgehen, aber sie hat die Familie zusammengehalten. Bei ihrer ganzen Stärke hatte sie immer einen makellosen Stil, bis heute, und sie ist über 70.